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Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)

Titel: Unser Wohlstand und seine Feinde (German Edition)
Autoren: Gabor Steingart
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Regierungserklärung vom 10. November 2009 so, wie ihre Kollegen anderer Länder auch klingen: » Ich will, dass wir alles versuchen, jetzt schnell und entschlossen die Voraussetzungen für neues und stärkeres Wachstum zu schaffen. Wachstum zu schaffen, das ist das Ziel unserer Regierung, meine Damen und Herren. «
    Nicht wenige westliche Regierungen sind sogar in Versuchung, den unbedingten Wachstumswillen gegen die Freiheit auszuspielen. Denn befeuert von den Wohlstandserwartungen ihrer Wähler, den echten wie den vermuteten, fiel ihr Auge längst auf die neuen staatskapitalistischen Länder. Auch wenn es kein westlicher Spitzenpolitiker je bekennen wird: Das futuristische Hochhausgebirge von Schanghai, die Erfolge der chinesischen Exportindustrie und die nun fast ein Vierteljahrhundert währende Erektion der dortigen Wachstumsraten lösen im Westen Faszination und Nachahmungsgelüste aus.
    Es wird zwar gern gesagt, die Marktwirtschaft sei nach dem Ende der Planwirtschaft konkurrenzlos. Aber das stimmt nicht. Die erfolgreichen westlichen Wirtschaftssysteme sind, gemessen in der Währung der Wachstumszahlen, mit dem Ende der Sowjetunion sogar unter Druck geraten. Der schläfrige Bär war kein würdiger Rivale. Der chinesische Drache ist da von anderem Kaliber. Länder wie China oder auch die Arabischen Emirate haben eine neue Form des Staatskapitalismus entwickelt, den auch der glühendste Wall-Street-Kapitalist neidlos als » High Performer « anerkennt.
    Private Firmen spielen in diesen Ländern zwar die Musikinstrumente, aber der Staat schwingt den Taktstock. Die Formen der Einflussnahme sind subtiler als zu Zeiten der sozialistischen Plankommissare. Staatsfonds, sogenannte sovereign wealth funds, bündeln das im Export verdiente Geld, um es strategisch einzusetzen. Die Regierungen entwickeln Leitlinien, denen die Unternehmen zu folgen haben. Die Währungspolitik wird zum Schutz der heimischen Industrie und zur Schwächung der Importländer eingesetzt.
    Die Staatsfonds sind zu mächtigen Spielern in der Globalwirtschaft aufgestiegen. Ihr Gesamtbesitz beläuft sich nach Berechnungen des IWF auf rund zehn Billionen Dollar, was das Eigenkapital der 100 größten Banken um das Doppelte übersteigt. Diese Gelder unterstehen Männern wie dem ehemaligen Präsidenten Venezuelas Hugo Chávez, dem Königshaus von Saudi Arabien und der Kommunistischen Partei Chinas.
    Der Staatskapitalismus fordert mit seinen praktischen Erfolgen unsere bisherigen Grundüberzeugungen heraus. Arbeitete die alte Planwirtschaft sowjetischer Bauart mit ihren Dysfunktionalitäten der westlichen Wirtschaftsordnung in die Hände, bedeutet die Existenz des Staatskapitalismus eine Provokation. Unsere beiden bisherigen Grundannahmen, dass marktwirtschaftliche Systeme höhere Wachstumsraten erzeugen und dass der Staat mit Geld weniger klug umgeht als die Privatwirtschaft, werden scheinbar widerlegt.
    Der Siegeszug der staatskapitalistischen Länder ist kein exotisches Randthema. Er bildet das gedankliche Biotop, in dem sich die Wesensveränderung der westlichen Marktwirtschaften überhaupt erst so ungestört entwickeln konnte. Denn plötzlich war da eine Alternative, die höhere Wolkenkratzer, schneller wachsende Konzerne, stabilere Währungen hervorbrachte. Und sie tat es unter fortdauerndem Verstoß gegen die Spielregeln der Marktwirtschaft, in deren Zentrum der Freiheitsbegriff steht. In China haben die westlichen Politiker gelernt, dass es im Grenzbereich von Staat und Privatwirtschaft ein neues Betätigungsfeld für sie gibt. Ihre Neigung ist gewachsen, die Bastardökonomie nicht mehr als Ausnahmefall, sondern als neue Normalität anzuerkennen. Gern und oft spricht man neuerdings wieder vom » Primat der Politik « , ganz wie in den staatskapitalistischen Ländern auch. Die Marktwirtschaft rutscht in die Rolle des Sekundären. Nach dem Dauerrisiko unserer Tage, das man ihr zur Last legt, erscheint das als die angemessene Form der Bestrafung.
    Dabei ist der fundamentale Unterschied zwischen den heutigen Ereignissen und dem Scheitern des Kapitalismus in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts der folgende: Der Kapitalismus ging an sich selbst zugrunde. Er verstarb, weil man sein rohes Wesen und seine Begrenztheit durchschaut hatte. Die heutige Marktwirtschaft dagegen leidet, weil man ihr wahres Wesen manipuliert hat. Sie wird öffentlich für etwas angeklagt, was sie selbst nicht zu verantworten hat.
    Wir haben in diesem Buch das Fenster zur
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