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Und verfluche ihre Sünden

Und verfluche ihre Sünden

Titel: Und verfluche ihre Sünden
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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sagte sie halb fragend, halb zu sich selbst.
    Die Antwort rutschte ihr heraus, ehe Hadley sich bremsen konnte. »Verraten Sie mir, wo ich hier in der Gegend einen Job finde.« Sie hätte es am liebsten sofort zurückgenommen. Die Pastorin hatte etwas gemeint wie Soll ich Ihnen das Bad zeigen? oder Möchten Sie etwas trinken?. Wollte gastfreundlich sein. Mann, sie glaubte, Hadley würde ihren Großvater besuchen, nicht ihr Leben neu organisieren.
    Aber ihre Augen wurden schmal und ihre Miene geistesabwesend, als dächte sie intensiv nach. »Was für einen Job suchen Sie denn?«
    Einen, bei dem ich nicht mit menschlichen Wesen sprechen muss. Klar, großartig. »Etwas, für das man keine College-Ausbildung braucht. Ich habe nur den Highschool-Abschluss.«
    Reverend Fergusson, die vermutlich bis zum Abwinken Abschlüsse erworben hatte, zuckte mit keiner Wimper. »Im Sommer gibt es eine Menge Saisonjobs. Landarbeit, auf dem Bau. Die ganzen Hotels in Lake George suchen dann Kellnerinnen und Zimmermädchen. Aber im Moment?« Sie runzelte die Stirn. »Shape stellt niemanden ein. Die Reid-Gruyn-Mühle musste Leute entlassen, nachdem sie übernommen wurde. Ich werde herumfragen, ob jemand, den ich kenne, eine Stelle für Sie hat. Was haben Sie in … Woher kommen Sie noch mal?«
    »Kalifornien. L.A.«
    »Aha.«
    »Was?«
    Reverend Fergusson errötete. Verlegen. »Ich hatte mir gedacht, dass Sie nicht von hier sind. Wegen Ihrer Bräune. Und Ihrer Frisur.«
    Hadley fuhr sich durch die kurzen Haare. »Was ist damit?«
    »Na ja, sie ist … trendy. Hier in Millers Kill ist trendy nicht gerade häufig.«
    Hadley hätte fast gelacht. »Ein Sonderangebot der Kosmetikerschule. Fünfzehn Dollar. Zwanzig, wenn man sie auch waschen und föhnen lassen möchte. Was ich nicht wollte.«
    »Waren Sie« – die Pastorin zögerte, als suchte sie nach einer taktvollen Formulierung – »Schauspielerin? Oder Model?«
    Hadley dachte einen Augenblick nach, ehe sie antwortete. »Das wollte ich werden, als ich nach Kalifornien ging. Als ich dort ankam, stellte ich fest, dass umwerfende Mädchen dort buchstäblich im Dutzend billiger sind.« In ihrer Stimme lag keine Bitterkeit mehr. Es war so lange her, es schien, als wäre es etwas, das sie in einem Film gesehen, nicht etwas, das sie selbst erlebt hatte. »In den letzten Jahren habe ich für eine Firma gearbeitet, die Inventuren durchführt, als Kellnerin, solche Jobs. Davor hatte ich eine Stelle bei der staatlichen Gefängnisbehörde.«
    »Als Sekretärin?«
    »Als Wache.«
    Die Augenbrauen der Pastorin schossen nach oben. »Aha.« Ihr Mund verzog sich, als würde sie über etwas lächeln, das nicht besonders komisch war. »Eine offene Stelle hier in der Stadt wüsste ich. Einer der Officer ist zur State Police nach Latham gegangen. Das Police Department sucht jemanden.«
    II
    Clare saß am Schreibtisch, hypnotisiert vom fallenden Schnee. Während ihr Predigtentwurf vor ihr abkühlte, beobachtete sie die an den Butzenscheiben vorübertreibenden Flocken, jede einzelne ein leuchtender Fleck vor dem rußgrauen Himmel. Schnipp, schnipp, schnipp. Sie war schon den ganzen Vormittag in dieser Stimmung. Unfähig, sich auf ihre Aufgaben zu konzentrieren. Unfähig, sich deswegen Gedanken zu machen – oder wegen etwas anderem.
    Mr. Hadley steckte den Kopf zur Tür herein, brachte den Duft von Möbelpolitur und Zigarettenrauch mit. »Morgen, Father.« Seine übliche Anrede für sie. Sie nahm an, dass er sie für geschlechtsneutral hielt – wie Captain, ihren zweiten, kürzlich erworbenen Titel. »Danke, dass Sie sich gestern um meine Enkelin gekümmert haben.« Mr. Hadleys North Country Akzent ließ es wie gessern klingen.
    »Wie geht es ihnen?«
    Er grunzte. »Viel besser, jetzt, wo sie ihren Scheißhaufen von Ehemann in der Schüssel runtergespült hat. ’tschuldigung, Father.«
    »Hm.« Clare unterdrückte ein Lächeln. »Muss schön sein, sie wieder zu Hause zu haben.«
    »Es ist eigentlich nicht ihr Zuhause, aber ziemlich nah dran. Meine Tochter, Gott schütze sie, hat das Mädchen durchs ganze Land geschleppt. Konnte einfach nicht zur Ruhe kommen, meine Sarah. Der einzige Ort, den Honey öfter als ein Mal gesehen hat, war hier. Sarah hat sie früher jeden Sommer zu mir und meiner Frau geschickt.«
    Clare hatte die Übersicht verloren. »Honey?«
    »Das ist ihr Taufname. Sie hat ihn als Teenager zu Hadley geändert.«
    Das kann ich verstehen.
    »Na ja, eigentlich wollte ich nur fragen, ob ich
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