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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück
Autoren: dtv
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in den nächsten Wochen ihre Blumen gießen und ihre Mülltonne rausstellen
     und was sonst noch an lästigen Pflichten anstand!
    Während Jan Hörnum, inzwischen deutlich warmgelaufen, die beiden kranken Damen mit Geschichten über seinen Gastauftritt auf
     dem ›Traumschiff‹ unterhielt, begann ich mich mehr und mehr zu bemitleiden. Dieser Tag war von Anfang bis Ende blöd gelaufen.
     Tante Paula war immerhin gut versorgt und hatte sozusagen als Entschädigung noch Besuch von dem Mann ihrer Träume, und ich
     hatte ein kaputtes Auto, durfte Spinnweben von der Wand fegen, war von diesem Gespräch so gut wie ausgeschlossen, und außerdem
     tat mir noch der Fuß weh, an dem ich das Hühnerauge hatte. Damit haderte ich sozusagen doppelt, weil ein Hühnerauge in meinem
     Alter definitiv noch nicht angesagt war. Mit sechsundvierzig war man zu jung für Gesundheitsschuhe, da mussten es einfach
     noch Pumps mit Absatz sein. Fand ich. Meine Füße waren leider anderer Meinung.
    Was mich wiederum daran erinnerte, dass ich schon eine Dreiviertelstunde hier war und nicht ewig bleiben konnte. »Paula, ich
     muss los«, sagte ich und stand auf. Der Hocker machte ein unangenehmes Geräusch auf dem Krankenhauslinoleum. »Ich komme morgen
     wieder. Soll ich dir irgendwas mitbringen?«
    »Allerdings«, sagte sie. »Ich brauche den Süßstoff, in der Küche im Schrank rechts vom Herd. Dann schau mal im Kleiderschrank
     im Gästezimmer, zweite Schublade unten, da müsste in einer Tüte so ein blaues Bettjäckchen sein. Wenn du das nicht findest,
     bring mir die Strickjacke mit, die   …«
    Ich konnte nur hoffen, dass mein Gedächtnis mit ihrem Redeschwall mithalten konnte. Meine Zettel hatteich ja schon alle verbraucht, aber zur Not musste ich Tante Paula eben morgen noch mal anrufen, bevor ich fuhr. Das musste
     man ihr lassen: Bei dem ganzen Zeug, das sie in ihrem Haus hatte, wusste sie so ungefähr von jedem Teil, wo es sich befand.
     Im Gegensatz zu mir, die ich öfter mal gezwungen war, größere Suchaktionen zu starten. Nicht nur einmal hatte ich dabei Dinge
     wiedergefunden, die ich gar nicht mehr in meinem Besitz vermutet hatte.
    Nachdem Paula ihre Liste abgespult hatte, war ich quasi für heute entlassen. »Dann fahr doch nach Hause und ruh dich aus«,
     sagte sie. »Du machst so einen erschöpften Eindruck.«
    Kein Wunder, ich lag schließlich nicht hochherrschaftlich in einem Krankenbett, sondern hatte bereits einen Arbeitstag hinter
     mir und zu allem Überfluss noch das Problem, mich mit einem uneinsichtigen Unfallverursacher herumschlagen zu müssen.
    »Tja, ich muss euch leider auch den Herrn Hörnum entführen«, sagte ich, was die beiden Damen offensichtlich sehr traurig machte.
     Und den Herrn Hörnum gleich mit. »Zu schade«, sagte er bedauernd. »Ich hätte gern noch weiter mit Ihnen geplaudert. Aber Sie
     können sich freuen, denn Sie haben doch einen Fernseher hier, und heute Abend kommt ›Amrum Ahoi‹ im Nordfernsehen. Mit dem
     Shantychor Greetsiel, glaube ich.«
    Tante Paula griff sofort nach der Liste mit den Sendern, um sicherzugehen, dass sie das Nordfernsehen auch finden würde, und
     ich zog mit ihrem Idol im Schlepptau von dannen. Ich hätte ihn eigentlich gern dagelassen, aber ich befürchtete, dass er erst
     mal sein Auto wegsetzen musste, damit ich vom Parkplatz kam.
    Natürlich fing er im Foyer gleich wieder mit seinem Thema »Polizei anrufen« an und brachte mich sogardazu, ihm einen Euro zu geben, damit er den Münzfernsprecher benutzen konnte. Mir fiel auf, dass der norddeutsche Tonfall
     im Verlauf des Gesprächs immer intensiver wurde. Außerdem verlief es offenbar nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte.
    »Was soll das heißen, Sie waren schon da? Wer hat Sie denn bestellt? Was meinen Sie mit abgeschleppt? Wo kann ich den Wagen
     denn abholen?« Er gestikulierte wild in meine Richtung, aber ich konnte ihm auch nicht helfen. »Wieso heute gar nicht mehr?
     Das kann doch wohl nicht sein! Ich brauche das Auto! Heute! Gibt es denn keine Möglichkeit   …«
    Als ich ihn so beobachtete, kämpften zwei Empfindungen in mir. Eine Stimme sagte: Geschieht diesem Lackaffen recht, er muss
     einfach mal begreifen, dass er nicht überall der große Star ist. Ich hatte gleich geahnt, dass man nicht einfach ein Auto
     mitten auf dem Parkplatz stehen lassen kann, schließlich wollen die anderen Leute ja auch rausfahren, nicht nur ich. Aber
     als ich sein betroffenes Gesicht sah, nachdem er
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