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Umzug ins Glück

Umzug ins Glück

Titel: Umzug ins Glück
Autoren: dtv
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in
     dem Bett am Fenster lag. Sie starrte ebenso hingerissen auf den Mann wie Tante Paula.
    »Wie unangenehm«, sagte der mit einem Tonfall, der zu seinem cremefarbenen Anzug passte. Genauso butterweich und schmierig.
     »Aber hier sind Sie in besten Händen. Das kann ich Ihnen versichern.«
    »Sind Sie denn auch Patient hier?«, wollte die Frau am Fenster wissen, worauf sich der Kerl auch ihr widmete.
    »Ich nicht«, erklärte er. »Aber ich kenne einen der Professoren.«
    Paula seufzte andächtig. »Ich fasse es nicht«, sagte sie. »Jan Hörnum! An meinem Bett! Warum konnte das nicht zwanzig Jahre
     früher passieren?«
    Weil da Onkel Rudolf an deinem Bett gestanden hätte, dachte ich.
    Herr Mäderle alias Jan Hörnum (verflixt, warum kam mir der Name bekannt vor?) hatte eine andere Erklärung bereit. »Gnädige
     Frau, da wäre ich doch wegen Verführung Minderjähriger verhaftet worden!«
    Während sich in mir bei diesem Geschleime alles wand, kicherte sie verschämt. »Sie sind so ein Charmeur, Herr Hörnum!«
    »Nennen Sie mich Jan«, bat er und zog den einzigen Stuhl im Zimmer zu sich heran. Mit elegantem Schwung nahm er in der Mitte
     zwischen beiden Betten Platz. Zähneknirschend holte ich mir den Hocker aus dem Bad und setzte mich auf Tante Paulas andere
     Bettseite, natürlich völlig ignoriert von ihr und allen anderen. Ich kam mir vor wie ein Kindergartenkind.
    »Ich habe alle Ihre Filme gesehen«, versicherte Tante Paula nun. Und mir dämmerte langsam, was das für eine Erscheinung war.
     Auch meine Mutter hatte früher keine Fernsehsendung verpasst, in der ein Schwank aus dem Nordlicht-Theater vorgeführt wurde.
     Und besagter Jan Hörnum hatte damals den jugendlichen Liebhaber gegeben. Damals waren seine Haare noch nicht so grau gewesen
     und er hatte keine Brille gehabt, aber der norddeutsche Tonfall   … dieser seelenvolle Blick   … diese künstliche Bräune   …
    »›Sturmflut vor Helgoland‹ hat mir am besten gefallen«, sagte die Bettnachbarin, ebenfalls eine Dame in den Siebzigern, mit
     leicht violetter Tönung in der zurzeit etwas zerdrückten Frisur. »Oder ›Heimweh nach Husum‹, das war auch wunderbar.«
    »Und dann diese Serie ›Asthmaklinik Norderney‹«, ergänzte Paula. »Sie waren einfach großartig als Chefarzt Doktor Knudsen.«
    »Tja, das waren noch Zeiten   …«, sagte Jan Hörnum mit einer gewissen Melancholie.
    »Sagen Sie«, fragte die Bettnachbarin, »was ist denn eigentlich aus Svantje van Wiek geworden?« Das war, wie ich mich erinnern
     konnte, damals seine regelmäßige Partnerin gewesen, so ähnlich wie Rock Hudson und Doris Day, nur irgendwie maritimer, wenn
     Sie wissen, was ich meine.
    Jan Hörnum nahm einen noch melancholischeren Gesichtsausdruckan. »Eine traurige Geschichte«, seufzte er. »Die arme Svantje lebt schon seit Jahren in einem Seniorenheim in Emden und kennt
     niemanden mehr. Noch nicht mal mich.« Und das wollte offensichtlich was heißen, so wie die beiden Frauen ihn vergötterten.
    »Nein!«, rief die Bettnachbarin erschüttert. »Das ist bestimmt diese Altersheimer-Krankheit oder wie das heißt. Ach nein.
     Wie tragisch.«
    Einen Moment schüttelten wir alle bewegt die Köpfe darüber, wie schade es ist, wenn aus Prominenz Demenz wird. Dann wurde
     mir so langsam wieder bewusst, warum ich eigentlich hier war. Ich saß schließlich auf der Seite, von der aus man Tante Paulas
     bandagiertes Bein sehen konnte.
    »Was ist denn nun mit dir?«, fragte ich in die elegische Stille hinein. »Also kein Oberschenkelhalsbruch?«
    »Nein, nein«, sagte sie hastig, und ich spürte, dass sie jetzt nicht über solche Altersbeschwerden reden wollte.
    »Welcher Arzt hat dich denn behandelt?«, bohrte ich weiter. »Soll ich mal mit dem reden?«
    »Nicht nötig«, versetzte sie. »Die sagen dir sowieso nichts. Dürfen die gar nicht. Außerdem hat Nick schon mit dem Arzt gesprochen.«
    »Nick war hier?«
    »Natürlich. Er ist kurz vor Mittag gekommen, da hat er den Doktor Werner gleich nach der Visite gesehen. Der hatte ihn schon
     angerufen, die kennen sich irgendwoher.«
    Autsch. Ich musste zugeben, dass das schmerzte. Ich als letzte Blutsverwandte musste hier untätig auf einem unbequemen Hocker
     sitzen und bekam von den Ärzten keine Auskünfte, während Nick, der doch nur ihr Stiefsohn war, vermutlich von Mann zu Mann
     mit dem Doktor geplaudert hatte. Dabei war ich es schließlich gewesen,die Paula gefunden und den Notarzt gerufen hatte, ich würde
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