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UFOs über der Erde

UFOs über der Erde

Titel: UFOs über der Erde
Autoren: Robert Silverberg
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Himmel.
    Sie hatte keine Ahnung, daß die Intensität des Lichts bereits nachgelassen hatte. Es war das hellste Ding, das sie je am Himmel gesehen hatte, so strahlend hell, daß sie instinktiv ihre Hände vor die Augen schlug. Aber einen Augenblick später zog sie ihre Hände wieder weg und sah zu, wie es seine feurige Bahn vollendete.
    Was konnte es sein?
    Kathryns Verstand lieferte sofort die Antwort: Es war der Feuerschweif eines explodierenden Düsenjägers. Einer der Jungen vom Luftwaffenstützpunkt Kirtland bei Albuquerque fand in diesen Sekunden bei einem Übungsflug den Tod. Natürlich. Und heute abend würde es irgendwo eine neue Witwe geben. Kathryn erschauerte. Zu ihrer Überraschung kamen diesmal keine Tränen.
    Ihr Blick folgte der Lichtspur, wie sie sich im Süden dem Horizont näherte und in der dunstigen Helligkeit verschwand, die das Stadtzentrum von Albuquerque markierte. Sofort erstand in Kathryns Vorstellung eine neue Katastrophe, denn in ihrer privaten Welt waren Katastrophen immer zur Hand. Sie sah die flammende Maschine mit Mach drei auf die Central Avenue stürzen, ein Dutzend Straßen aufpflügen, Tausende von Menschen vernichten, vulkanartige Eruptionen aus berstenden Gashauptleitungen hervorrufen. Sirenen heulten, Frauen kreischten, Ambulanzen, Leichenwagen ...
    Sie unterdrückte die Hysterie und versuchte, etwas ruhiger geworden, sich das Gesehene zu erklären. Das Licht war jetzt fort, die Welt wieder normal – so normal, wie sie in diesen Tagen des noch ungewohnten Witwenstandes sein konnte. Weit in der Ferne glaubte sie ein dumpfes Wummern zu hören, wie von einer Explosion. Aber ihre in der Nähe von Luftwaffeninstallationen gesammelte Erfahrung sagte ihr, daß dieser gewaltige Lichtstrahl im Himmel nicht von einem explodierenden Düsenjäger stammen konnte, allenfalls von einem geheimen Versuchsmodell mit noch unveröffentlichten technischen Daten. Sie hatte Düsenmaschinen explodieren sehen, und dabei hatte es jedesmal einen grellen Lichtausbruch gegeben, aber nichts dergleichen.
    Was dann? Eine interkontinentale Rakete vielleicht, die ihre fünfhundert Passagiere in einen feurigen Tod beförderte?
    Sie glaubte die Stimme ihres Mannes zu hören, wie sie zu ihr sagte: »Du mußt es durchdenken, Kate. Nur so kommst du weiter.«
    Er hatte das oft gesagt, bevor der Tod ihn ereilt hatte. Kathryn versuchte es zu durchdenken. Die Helligkeit war aus dem Norden gekommen, von Santa Fé oder Taos, und hatte sich nach Süden bewegt. Die interkontinentalen Raketen reisten auf Ostwestkurs, und so starke Abweichungen waren so gut wie ausgeschlossen. Vielleicht eine chinesische Rakete? Aber dann hätte sie mehr von der furchtbaren Explosion gemerkt; eine von diesen Fusionsbomben war imstande, ganz New Mexico in Stücke zu reißen. Denk nach ... Eine Art Meteor, vielleicht? Oder wie wäre es mit einer Fliegenden Untertasse? Die Leute redeten heutzutage soviel von UFOs. Geschöpfe aus dem Weltraum, so sagten sie, die uns beobachteten, herumschnüffelten. Grüne Männer mit klebrigen Tentakeln und hervorquellenden Augen? Kathryn schüttelte den Kopf. Es könnte sein, daß im Fernsehen eine Meldung darüber käme, dachte sie.
    Der Himmel sah jetzt wieder friedlich aus. Wie wenn überhaupt nichts geschehen wäre.
    Sie zog ihren Morgenmantel enger um sich. Nachts war der Wind hier am Rand der Wüste so kalt, als ob er direkt vom Pol käme. Kathryn bewohnte das nördlichste Haus der Vorstadtsiedlung; sie konnte aus dem Fenster schauen und nur trockenes Ödland aus Sand und Salbeisträuchern sehen. Als sie und Ted vor zwei Jahren das neue Haus bezogen hatten, hatte der Agent ihnen versichert, daß auch nördlich ihres Hauses Einfamilienhäuser errichtet würden. Daraus war nichts geworden. Finanzielle Probleme, hatte es geheißen, und Kathryn lebte immer noch auf der Grenze zwischen irgendwo und nirgendwo. Südlich von ihr lag Bernalillo, ein Vorort von Albuquerque, aber im Norden war nichts, nur offene Steppe voller Kojoten und Gott weiß was noch. Wahrscheinlich hatten die Kojoten das Kätzchen ihrer Tochter gefressen.
    Kathryn drehte rasch um und ging ins Haus zurück. Es war gut, in diesem hellen, warmen Haus zu sein. Solange Ted am Leben gewesen war, hatte ihr das Leben hier draußen gefallen. Nun konnte sie nichts tun als durchhalten und warten, daß die Erstarrung ihrer Witwenschaft sich löse. Sie war erst dreißig. Zu jung, um immer in dieser Isolierung zu leben.
    Kathryn ging ins Kinderzimmer.
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