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Über Morgen

Titel: Über Morgen
Autoren: Douglas Rushko; Ray Hammond; Scarlett Thomas; Markus Heitz
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vor, dass (mehr oder weniger) alle Autobesitzer im Land die Farbe ihres Wagens in jedem denkbaren Moment vom Netz auswählen lassen, vor allem, wo es doch so verlockend sein muss, sie selbst auszusuchen. Natürlich bekommt man auf diese Weise wunderschöne Muster zu sehen, und das, was als kunterbuntes Durcheinander in den Großstädten beginnt, ergibt nach und nach Sinn. Auch wenn die Farbzusammenstellung jeden Tag wechselt, wäre es doch möglich, dass alle hellblauen Autos nach Aberdeen fahren und alle dunkelblauen nach Edinburgh. Gelbe Autos könnten nach Thanet fahren und weiße nach Brighton. Die Autos sind so programmiert, dass sie je nach Verkehrslage und zu jeder Zeit die am besten geeignete Strecke wählen. Aber letzten Endes sind alle roten Autos, alle blauen und alle schwarzen an einem Ort vereint, ganz egal wie unmöglich das Durcheinander am Anfang aussieht. Netzwerk-Theoretiker sitzen wie gebannt vor den Bildern, genauso wie autistische Kinder, zahnende Babies, an Alzheimer erkrankte ältere Menschen, bekiffte Studenten und Wahrsager.
    „Das Netzwerk soll die Leute manchmal an die falsche Stelle schicken, nicht aufgrund einer Betriebsstörung, sondern einfach aus einem Wunsch nach Symmetrie und Schönheit heraus.“, sagt Danny.
    „Werden die Leute nicht stinksauer?“
    „Nein, überhaupt nicht. Wenn das jemandem passiert, dann können sie es anscheinend sehen oder fühlen oder irgend so etwas in der Art. Man fühlt sich, als sei man Teil einer riesigen Tanzvorführung und den Leuten wird klar, dass sie zusammen mit den anderen Tänzern ein einzigartiges Muster erschaffen. Das ist die eine Theorie. Eine andere besagt, dass sich hinter allem Muster verbergen – wie im I Ging – und dass überhaupt keiner je an einen falschen Platz gelangt. Siesagen, es sei völlig unvorhersagbar, wie im Spiel des Lebens und bei Evolution, aber würde man es beschleunigen, dann würde man feststellen, die Dinge sind dort, wo sie schon immer sein sollten.“
    „Mit ‚ Spiel des Lebens ’, meinst du jetzt die Existenz?“
    „Nein, du Blödmann. Das Spiel des Lebens. John Horton Conway. Schau nach.“
    Ich schaue das Netzwerk an. Irgendwo in den Midlands zeichnet sich etwas in T-Form ab. Und dann erscheint ein Herz dahinter. Wie ist das möglich? Ich bekomme eine Gänsehaut.
    „Hast du ein Ersatz-Headset?“, frage ich Danny.
    „Hmm?“
    „So ein Gedankendingsbums?“
    „Was hast du vor?“
    „Nichts. Aber hast du so was?“
    „Klar. In dem Korb in meinem Zimmer. Wozu brauchst du das? Ist es ein Geheimnis?“
    „Nein. Aber es ist zu kompliziert, um es dir zu erklären. Was ist eigentlich mit den ganzen Aufrufen von vorhin?“
    “Die sind alle weg, da ist keiner mehr bei uns drin. Ich glaube Gab und Mum haben sie vertrieben.“
    „Na prima. Ich hatte schon befürchtet, wir bekämen ein Kultphänomen oder so was in der Art.“
    „Da besteht keine Gefahr. Dafür sind wir viel zu normal.“
    „Na, wenn das normal ist ...“
    „Du darfst einfach nicht darüber nachdenken. Ach – mein Zimmer stinkt wohl ein bisschen. Gab hat sich beklagt.“
    „Okay, alles klar.“

    Wann? Um Theo diese Nachricht zu schicken, muss ich mir die Bilder Wal, Apfel, Nuss und noch einmal Nuss vorstellen. Allerdings finde ich kein Fragezeichen. Ich habe mit meiner Box geübt und mir diese Nachricht selbst mehrfach zugeschickt. Es braucht ziemlich lange, weil es sehr viel schwieriger ist, Nuss zudenken, als man gemeinhin annimmt. Wenn ich mir eine riesige Erdnuss vorstelle, habe ich mehr Glück damit, wie wenn ich es mit einer Haselnuss versuche. Aber wie sieht eine ursprüngliche Nuss eigentlich aus? Keine Ahnung, ich bin ganz schön überrascht, dass es überhaupt funktioniert. Jetzt muss ich nur noch warten, bis Theo in Reichweite ist, damit ich ihm die Nachricht zuschicken kann. Wenn es soweit ist, muss ich ziemlich schnell sein. Das Headset ist kleiner als jedes, das ich zuvor benutzt habe. Es sitzt hinter dem Ohr wie ein halbes Hörgerät. Und es ist so angenehm zu tragen, dass ich fast mit ihm einschlafen könnte.

    Am nächsten Tag bin ich im Café, als Ursula sich meldet. Ausgehend von meiner Theorie, dass jeder irgendwann einmal am Pier vorbeikommen muss, warte ich darauf, dass Theo in Reichweite kommt. Aber bislang hat noch nichts gepiepst. Es hat mir ziemlich viel Spaß gemacht zu lernen, wie mein GSRcx mit Gedankenkontrolle funktioniert. Auf dem Hauptbildschirm muss man nur an ‚Mond’ denken und das Menü ploppt
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