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TS 16: Einer von Dreihundert

TS 16: Einer von Dreihundert

Titel: TS 16: Einer von Dreihundert
Autoren: J. T. McIntosh
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waren praktisch weiter nichts als fliegende Scheunen. In dem sogenannten Salon gab es nichts zu sehen als die weiße Wandverkleidung, den Stahlfußboden, zehn Lagerstätten und neun herumschwebende Menschen. Auf der einen Couch war etwas mit einem Laken zugedeckt.
    Die kleine Bessie Phillips flog unbekümmert in der Luft herum, selig über ihre Schwerelosigkeit. Jim Stowe saß, ohne zu weinen, bei seinem Vater, ein Bein um den Rahmen der Couch gelegt, um sich Halt zu geben. Betty und Morgan flüsterten in einer Ecke. Sammy, Leslie, Harry Phillips und Miß Wallace bildeten eine weitere Gruppe.
    Unwillkürlich hörten sie alle auf zu sprechen, als ich hereinkam.
    Ich ging zu Marys Couch. Niemand rührte sich. Das Bettuch war an den vier Ecken festgebunden. Ich löste eine Ecke und sah, was geschehen war.
    Als Marys Gewicht infolge der Beschleunigung auf eine halbe Tonne angewachsen war, war zuerst eine und dann noch eine von den stählernen Stützen ihrer Couch gebrochen. Die Couch war zu einer Rutschbahn geworden, und natürlich hatte sich Mary die Wirbelsäule gebrochen.
    Ich wandte meine Augen vom Gesicht der Toten ab.
    „Jemand muß mir helfen, die Leiche rauszubringen“, sagte ich.
    Sie sahen die Notwendigkeit ein. Sammy stieß sich von der Couch ab, an der er sich gehalten hatte, und schwebte zu mir herüber. Wir nahmen den schlaffen Körper und arbeiteten uns damit zum Boden des Schiffes hinunter, zu der einzigen Luftschleuse, die wir hatten. Die anderen verfolgten uns schweigend mit ihren Blicken.
    Sammy und ich legten die Leiche in die Luftschleuse, schlossen die innere Tür und drehten an dem Rad, das die äußere Tür öffnete. Es gab kein Geräusch, aber die Luft in der Schleuse schoß in den Raum hinaus und riß Mary Stowes sterbliche Oberreste mit sich.
    Schweigend kehrten wir in den Hauptraum zurück. Niemand schien sich gerührt zu haben.
    „Also gut“, sagte ich, „da Sie sich alle solche Gedanken zu machen scheinen, wollen wir über die Sache sprechen.“
    „Mußten Sie es wirklich tun?“ fragte Miß Wallace scharf und sah mich unverwandt an.
    Ich streifte sie mit einem schnellen Blick. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, aber es stand fest, daß ich nicht allen unsere Kraftstoffsituation erklären konnte. Vielleicht Sammy – mit einem mußte ich mein Wissen teilen. Aber nur mit einem, denn sonst stände uns eine Reise mit noch stärkeren seelischen Spannungen bevor, eine hoffnungslose Reise, auf der es schwierig sein würde, Opfer zu verlangen, da sie sinnlos zu sein schienen. Deshalb sagte ich nur:
    „Glauben Sie, ich würde zehn Menschen unter dreitausend auswählen und dann als erstes einen von ihnen ermorden?“
    „Nein“, sagte John Stowe, mit sichtlicher Anstrengung in die Gegenwart zurückkehrend. „Niemand denkt, daß es Absicht war, Leutnant Easson. Aber meine Frau“ – seine Stimme schwankte – „meine Frau ist gestorben. Mußte das sein? Oder war es … umsonst?“
    „Ich gebe Ihnen mein Wort, daß es notwendig war“, sagte ich. „Es mußte wirklich sein. Wir brauchten diese zusätzliche Beschleunigung.“
    Niemand antwortete, aber sie glaubten mir. Stowe nickte langsam mit dem Kopf. Der dumpfe Zorn und das Mißtrauen waren aus seinem Herzen gewichen. Die anderen blickten abwechselnd Stowe und mich an und sahen etwas beschämt aus, weil sie so bereitwillig angenommen hatten, daß ich Mary Stowes Tod verschuldet hätte.
    „Gott strafe denjenigen, der ihre Couch hat aus der Fabrik gehen lassen“, sagte Stowe mit zusammengebissenen Zähnen.
    „Wahrscheinlich ist er schon gestraft“, entgegnete ich ruhig. „Von den Leuten, die die Rettungsschiffe gebaut haben, sind nicht viele mitgekommen.“
    Damit schien die Sache abgetan zu sein. Niemand wollte mehr davon sprechen.
    Ich gab Sammy einen Wink, und wir stießen uns zusammen ab und schwebten in den Kontrollraum.
    „Sammy“, sagte ich, „Sie wissen, daß ich Sorgen habe. Darf ich sie mit Ihnen teilen?“
    Er grinste. „Ich schimpfe und fluche zwar und bin verbittert, aber das ist nun mal meine Natur. Selbstverständlich helfe ich Ihnen jederzeit, so viel ich kann. Was haben Sie denn für Sorgen?“
    „Erinnern Sie sich“, sagte ich, „daß Sie einmal glaubten, die Rettungsschiffe seien ein großer Schwindel?“
    Er nickte. „Aber Sie haben recht behalten, Bill“, antwortete er. „Als ich das sagte, war ich tatsächlich ziemlich niedergeschlagen. Es war nur mein eigener Pessimismus.“
    „Es war nicht nur das,
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