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Trauma

Trauma

Titel: Trauma
Autoren: D Koontz
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Storchenmuster brodelte es im Wartezimmer für werdende Väter vor überschüssiger negativer Farbenergie. Hier hätte man gut einen Horrorfilm über den Moderator einer Kindersendung drehen können, der ein geheimes Zweitleben als Axtmörder führte.
    Der Kette rauchende Clown tat auch nichts dazu, das Ambiente zu verbessern.
    Neben Rudy wartete nämlich nur noch ein weiterer werdender Vater im Raum, kein Einheimischer, sondern ein Artist des Zirkus, der für eine Woche auf der Halloway-Farm seine Zelte aufgeschlagen hatte. Er nannte sich Beezo. Merkwürdigerweise war das nicht sein Name als Clown, sondern der, mit dem er geboren worden war: Konrad Beezo.
    Manche behaupten, es gebe kein Schicksal und alles, was geschehe, tue das einfach, ohne Sinn und tiefere Bedeutung. Konrads Nachname wäre ein Gegenargument, meine ich.
    Verheiratet war Beezo mit Natalie, einer Trapezkünstlerin. Sie stammte aus einer bekannten Familie von Hochseilartisten, die zum zirzensischen Adel gehörte.
    Weder Natalies Eltern noch jemand von ihren Geschwistern oder ihren hoch fliegenden Cousins und Cousinen hatten Beezo
ins Krankenhaus begleitet. An diesem Abend gab es eine Vorstellung, und die Show musste weitergehen – wie immer.
    Offenbar machten die Trapezkünstler sich jedoch auch deswegen rar, weil sie es missbilligten, dass eine von ihnen einen Clown zum Mann genommen hatte. Jede Subkultur und jede Volksgruppe hat wohl ihre Vorurteile.
    Während Beezo nervös auf die Niederkunft seiner Frau wartete, murmelte er unfreundliche Bemerkungen über seine angeheirateten Verwandten. »Selbstgefällig«, nannte er sie, und »hintenherum«.
    Angesichts des finsteren Blicks, der rauen Stimme und der Bitterkeit des Clowns fühlte Rudy sich zunehmend unbehaglich.
    Begleitet von Wolken dichten Zigarettenrauchs, quollen zornige Worte aus Beezos Mund: »heuchlerisch« und »intrigant« und, ziemlich poetisch für einen Clown: »muntere Geister der Lüfte, aber heimtückisch, sobald sie festen Boden unter den Füßen haben.«
    Beezo trug nicht sein ganzes Kostüm. Abgesehen davon stand seine Manegenkleidung in der Tradition des traurigen Vagabunden, die deutlich dezenter ist als die bunten, bauschigen Gewänder mit Punktmuster, wie die meisten Clowns sie tragen. Eine komische Figur gab er trotzdem ab.
    Auf dem Gesäß seiner ausgebeulten braunen Anzughose prangte ein greller Flicken mit Karomuster. Die Ärmel seiner Jacke waren viel zu kurz. Im Knopfloch blühte eine künstliche Blume, so groß wie ein Frühstücksteller.
    Bevor er mit seiner Frau ins Krankenhaus gerast war, hatte er seine Clownsgaloschen gegen Turnschuhe getauscht und seine große, runde Gumminase abgenommen. Rund um die Augen war er jedoch immer noch weiß geschminkt, auf den Wangen lag dickes Rouge, und er trug einen zerbeulten runden Filzhut.
    Beezos blutunterlaufene Augen leuchteten so scharlachrot
wie seine geschminkten Wangen, vielleicht weil sein Kopf ständig in beißenden Zigarettenrauch gehüllt war. Rudy argwöhnte allerdings, dass womöglich auch Schnaps mit im Spiel war.
    In jenen Tagen war Rauchen überall gestattet, selbst in vielen Krankenhauswartezimmern. Um die Ankunft ihres Sprösslings zu feiern, verteilten frisch gebackene Väter gern Zigarren.
    Wenn er nicht gerade am Bett seines sterbenden Vaters saß, hätte der arme Rudy eigentlich Zuflucht in diesem Raum finden sollen. Dort hätte die Freude über seine baldige Vaterschaft seinen Gram lindern können.
    Leider lagen sowohl Maddy wie auch Natalie sehr lange in den Wehen. Jedes Mal, wenn Rudy von der Intensivstation zurückkehrte, erwartete ihn der finster vor sich hinmurmelnde Clown mit den blutunterlaufenen Augen, der eine Packung filterlose Lucky Strike nach der anderen in Rauch aufgehen ließ.
    Während dröhnender Donner den Himmel erschütterte und der Widerschein der Blitze durch die Fenster zuckte, machte Beezo aus dem Wartezimmer eine Bühne. Rastlos schritt er über den blauen Vinylboden, von einer rosafarbenen Wand zur anderen, und stieß zornige Rauchwolken aus.
    »Na, was glaubst du, Rudy Tock – können Schlangen fliegen? Klar, das glaubst du nicht. Aber Schlangen können fliegen! Hab sie mit eigenen Augen hoch über der Manege gesehen. Die sind gut bezahlt und kriegen eine Menge Beifall, diese Kobras, diese Klapperschlangen, diese Ottern, diese abscheulichen Giftnattern! «
    Auf diese Schmähreden reagierte der arme Rudy mit tröstendem Gemurmel, Zungenschnalzen und mitfühlendem Kopfnicken.
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