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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen
Autoren: Brenda Novak
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bleiben.”
    Kennedy hatte sich das schon gedacht. Heath, sein zehn Jahre alter Sohn, kam sehr gut mit seiner Großmutter Camille aus. Er beklagte sich selten. Aber er war auch ein sehr ruhiger, geduldiger und bedächtiger Mensch – fast schon ein Intellektueller. Camille nannte ihn immer ihren “guten Jungen”.
    Teddy war eine ganz andere Persönlichkeit. Er war quicklebendig und hatte mit acht Jahren schon seinen eigenen Kopf. Jeden Tag versuchte er aufs Neue, seine Großmutter herauszufordern, jedenfalls glaubte Camille, dass es ihm darum ging. Sie waren ständig dabei, ihre Kräfte zu messen. Kennedy jedoch wusste sehr wohl, dass Teddy kein Problemkind war. Man musste ihn einfach zu nehmen wissen. Raelynn hatte bis zu ihrem Tod einen sehr guten Draht zu ihrem Jüngsten gehabt.
    “Wo willst du denn sonst hin?”, fragte Kennedy.
    “Nach Hause.”
    “Du kannst nicht nach Hause. Da ist niemand, der auf dich aufpasst.”
    “Und was ist mit Lindy?”
    Lindy war ein sechzehnjähriges Mädchen aus der Nachbarschaft oder was man in dieser Gegend Nachbarschaft nannte. Ihr Grundstück grenzte an das der Archers, aber das Haus war ein ganzes Stück weit entfernt. Lindy war sehr nett, aber das letzte Mal, als sie zum Babysitten gekommen war, hatte sie ihren Freund mitgebracht, und sie hatten sich zusammen mit den Jungs Horrorfilme angesehen.
    “Lindy kommt nicht infrage. Aber du könntest zu Mrs. Weaver gehen.”
    “Nein, da will ich nicht hin!”
    Alles wäre einfacher, wenn Raelynns Eltern nicht vor zehn Jahren nach Florida gezogen wären. Mit der Mutter seiner verstorbenen Ehefrau kam Teddy viel besser zurecht. Aber inzwischen sah er seine Großeltern mütterlicherseits nur noch ein- oder zweimal im Jahr. “Teddy, wir haben doch schon darüber gesprochen. Wenn du mal genau darüber nachdenkst, ist es bei Oma Camille immer noch am besten. Sie reißt dir ja nicht den Kopf ab. Und letzte Woche ist sie mit euch sogar nach Jackson in den Zoo gefahren.”
    “Ja, das war ja auch toll”, gab der Junge zu. “Aber … ich langweile mich hier. Kannst du nicht kommen und mich abholen?”
    “Tut mir leid, Junge, aber ich muss heute arbeiten. Das weißt du doch.”
    “Dann nimm mich doch einfach mit. Ich kann doch bei dir im Büro spielen.”
    Kennedy hielt am Straßenrand an. Die Straße war kaum befahren um diese Zeit, aber er musste sich ein paar Taschentücher aus dem Handschuhfach holen und außerdem den Kaffee irgendwo hinstellen, wo er nicht wieder umfallen konnte. “Das geht nicht, jedenfalls nicht heute. Ich treffe mich mit meinem Wahlkampfleiter und einigen wichtigen Sponsoren zum Frühstück. Danach muss ich im Rotary Club eine Rede halten. Und später habe ich einen Termin mit einigen Wirtschaftsleuten.”
    “Warum willst du unbedingt Bürgermeister werden?”
    Das war bestimmt nicht der richtige Augenblick, um seinem Sohn mitzuteilen, wie es um seinen Großvater stand, obwohl es ihm am Telefon leichter fallen würde, das Thema anzusprechen, als unter vier Augen. Aber er konnte Teddy jetzt keine medizinischen Details erläutern und ihn dann damit alleine lassen. Nicht, nachdem er seine Mutter verloren hatte.
    “Du weißt doch, dass Opa sich zur Ruhe setzen will, und dann ist dieser Posten zum ersten Mal seit dreißig Jahren unbesetzt. Seit ich klein war, habe ich mich darauf vorbereitet, eines Tages in seine Fußstapfen zu treten.”
    “Und wann ist der Wahlkampf endlich vorbei?”
    “Im November. Dann wird alles wieder einfacher, ob ich nun gewinne oder verliere.”
    Teddy stöhnte laut auf. “Im
November?
Aber da bin ich ja schon wieder in der Schule.”
    “Es ist ein anstrengendes Jahr, ich weiß.” Aber ganz bestimmt nicht schwieriger als das Jahr davor.
    Kennedy zwang sich, nicht an die schwierigen ersten Monate ohne Raelynn zu denken. Er ging seinen Terminplan durch und entschied, dass er das Treffen mit Buzz und den anderen in der Pizzeria am Nachmittag absagen konnte. Er traf sich gern mit seinen alten Freunden; immerhin kannten sie sich schon seit der Schulzeit. Aber Teddy war jetzt wichtiger. “Wie wär’s, wenn ich dich und Heath um vier Uhr abhole und auf ein Eis einlade?” Dann konnte er immer noch kurz in der Pizzeria anhalten und Hallo sagen.
    “Können wir nicht um sechs da hingehen?”
    Kennedy, der die ganze Zeit versuchte, seine Hose trocken zu tupfen, hielt inne: “Um sechs? Aber um diese Zeit hole ich euch doch sowieso immer ab.”
    “Ja, aber Oma will um vier mit uns
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