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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen
Autoren: Klaus Frank
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wie er das zu tun gedachte.
    „Und was ist deine Forderung?“, fragte Paul. Eine Kleinigkeit, hoffte er, wünsch dir eine Kleinigkeit: ein Buch mit Bannformeln, ein weiteres Blutopfer, das auf Kosten Minters ginge.
    Aus Gylghaars schwarzem Teufelsgesicht mit den übergroßen Ohren und den gelben Augen drang schwefeliger Rauch hervor. „Dafür, dass ich deinen sehnlichsten Wunsch erfülle, verlange ich...“
    „Ja?“
    „Freiheit!“
    „Freiheit?“, fragte Paul ungläubig. Im Geiste sah er sich heftig den Kopf schütteln. „Aber das wäre mein Tod. Sobald ich die Formeln spreche, die dich vom Bann befreien...“
    „Dir wird nichts geschehen“, versprach der kleine Dämon. „Ich will in die Welt der Menschen, in die Welt des Tageslichts, nur nicht mehr zurück.“ Er rümpfte die Nase. „In den Schwefelklüften schlafe ich auf kalten Eingeweiden von Hyänen und Schweinen. Du weißt nicht, was dies bedeutet. Es ist...“ Gylghaar hob die Schultern und verdrehte die Augen.
    „Entwürdigend?“, half Paul nach.
    „So ist es.“ Gylghaars Maul klaffte zu einem hässlichen Lächeln auf. „Gibst du mir nun die Freiheit?“
    „Nun...“
    „Ich habe sie gefordert! Du musst sie mir geben!“
    Zweifellos hatte der Dämon mit dieser Behauptung recht. Pakt war Pakt, das Buch in seiner Hand warnte davor, ihn zu brechen; Höllenqualen wären der Preis. Paul verzog das Gesicht, als er daran dachte, das Heim dieses Wesens kennen zu lernen.
    „Also gut“, seufzte er, „also gut.“ Er musste weiter nichts tun, als die Flammen der neun Teelichter auszublasen und die Linien des Kreises und des Dreiecks, die den Dämon bannten, zu verwischen. „Du bist frei, Dämon.“
    Jubilierend verflüchtigte Gylghaar sich zu einem nebligen Umriss seiner selbst und entfloh als Zwergenschatten durch die Ritzen des Hauses.

    In der übernächsten ruhelosen Nacht vernahm Paul ein leises Pochen an der Vordertür seines Hauses. Ein Gefühl aus hysterischer Freude und unkontrollierbarer Panik überkam ihn, als er die Tür öffnete und in Emilias blasses ruhiges Totengesicht schaute.
    Erkannte sie ihn wieder, oder hatte sie nur zurückgefunden, weil ein Instinkt, gleich dem eines Tieres, sie zurück an den Futtertrog geleitet hatte? In ihren Augen war kein Anzeichen des Wiedererkennens. Sie schauten ihn an und doch durch ihn hindurch, aber – zumindest das entdeckte er, und ein leises erleichtertes Stöhnen kam über seine Lippen -, es war nicht das Stieren einer hoffnungslos verblödeten Kreatur.
    Das weiße Totenhemd, das sie trug, flatterte an ihrem Körper. Paul hoffte, dass niemand dieses verräterische Zeichen gesehen hatte.
    „Komm herein“, sagte er daher hastig und trat beiseite, aber Emilia rührte sich nicht, als habe sie ihn nicht verstanden. Er musste sie am Ärmel ihrer hässlichen Kleidung fassen und mit sanfter Gewalt ins Haus geleiten.
    „Ich freu mich so“, sagte er leise und gab seiner heimgekommenen Frau nach einer innigen Umarmung einen Kuss, der nicht erwidert wurde. Die zerstörerischen Tage im Grab hatten bereits Spuren hinterlassen. Ihre Kleidung war an einigen Stellen zerrissen und größtenteils mit Friedhofserde beschmiert, lehmige Klumpen sah er auch in ihrem Haar, das er einst so gern zerwühlt und dessen Duft ihn so oft verführt hatte. Zwar nahm er den feinen Hauch von Fäulnis wahr, aber dieser Schaden war eher marginal und beunruhigte Paul nicht sehr. Schlimmer wäre gewesen, wenn Käfer und Spinnen ihren Körper erobert hätten. So war er voller Zuversicht, dass ein Bad in heißem Wasser und mit übertrieben viel Badeschaum den gröbsten Missstand beseitigen würde.
    Er führte seine wiedererschienene Frau ins Badezimmer und drehte leise vor sich hinsummend beide Wasserhähne auf und gab betäubend nach Vanille riechenden Badeschaum hinzu. Dann entkleidete er Emilia und rieb mit einem feuchten Handtuch den gröbsten Schmutz von ihr herunter und säuberte auch ihr Haar. Ein Schaudern durchfuhr ihn, als ihm klar wurde, dass dieser Körper, den er mehr liebte als seinen eigenen, viele Tage lang in völliger Finsternis und in kalter Erde gelegen hatte. Wie schrecklich, dachte er immer wieder, wie ein Tier verscharrt zu sein. Nun war Emilia wieder bei ihm, und er wusste, dass er richtig gehandelt hatte.
    Vorsichtig setzte er sie in die Badewanne und stellte das Wasser ab. Ein leise zischendes und in Regenbogenfarben schillerndes Gebirge aus Badeschaum reichte bis über den Wannenrand hinaus, so dass
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