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Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen
Autoren: Klaus Frank
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Oberfläche treiben.
    MacDonald schaffte das Futter heran und war heilfroh, dass jenes Ding, das er nie gesehen hatte, ihn als Ernährer anerkannte. Es konnte aus dem Wasser kriechen, MacDonald hatte die getrockneten Spuren seiner annähernd menschlichen Füße gesehen, aber es zog das nasse Element vor und war offenbar so phlegmatisch – und damit eindeutig menschlich -, dass es auch dort blieb, wofür MacDonald sehr dankbar war.

Von den Toten zurück

    An jenem trüben Tag im November, als Emilia beerdigt wurde und die Gäste ihre Trauer kundtaten und anschließend erleichtert heimfuhren – Beerdigungen sind etwas Entsetzliches, sagten einige, ganz besonders die an nebligen Novembertagen -, geschah etwas in Pauls Kopf. Mit den letzten Schaufeln nasser Erde, die von missmutig dreinschauenden Männern auf das Grab geschaufelt wurden, zersprang sein Geist zu einem irrsinnigen Zerrbild; es war, als öffnete sich im Vakuum seines Schädels ein blutroter Mund, der sein ganzes verzweifeltes Entsetzen hinausschrie und niemals damit aufhören würde. Ihm war klar, dass er ohne Emilia nicht leben konnte und es auch nicht wollte. Wie denn auch? Sie hatten einander warm gehalten an kalten Tagen, Trost gespendet, wenn Tränen geflossen waren, und stets Freude verspürt, den geliebten Partner in der Nähe zu wissen. Paul zog es nie in Betracht, sie als Opfer widerlicher, sie zernagender Insekten in der kalten Erde zu lassen. Er war aber nicht so dumm, sich seinen Entschluss anmerken zu lassen. Was brächte es, überlegte er, würde er hier und jetzt in aller Öffentlichkeit seinen Protest hinausschreien? Man würde ihm Blicke zuwerfen und glauben, Trauer sei eine hässliche Krankheit, am Abend wäre er das Gesprächsthema in den Bars und Betten der Stadt, und irgendwann eine Karikatur, die belächelt wurde.
    So kaufte er am nächsten Morgen einige Bücher über die geheimnisvoll-ketzerischen Themen Tod, Totenbeschwörung und Wiederauferstehung. Paul las sie in atemloser Hast, sein Studium wurde lediglich von Schlafphasen unterbrochen, die einer Ohnmacht ähnelten. Er konnte sich nicht entsinnen, dass er während dieser Zeit außer wärmenden Tee Nahrung zu sich nahm. Es dauerte nicht sehr lange, bis er begriff, dass selbst der Tod nicht endgültig war. Er konnte auf göttliche Beihilfe hoffen, aber am sichersten erschien es ihm, wenn er die Wesen der Jenseitswelt herauf in diese Welt beschwor, die Kobolde und Hexen, und wenn es sein musste, auch den Teufel persönlich. Zu seinem größten Erstaunen gab es selbst darüber Bücher mit reißerischen Titeln, und ihm wurde klar, dass er die Welt nicht mehr verstand.
    Von Beschwörungen zu lesen, war eine furchtbar komplizierte Angelegenheit, und mehr als einmal befürchtete er, seine Absicht müsse ihm misslingen. Die Warnungen in den Büchern machten ihm angst. Aber letztendlich war es eine Kleinigkeit, sein wahnsinniger Geist erfasste und umging alle Gefahren mit der spielerischen Leichtigkeit eines sich selbst überlassenden Kindes.
    In der nächsten Nacht brach er in Minters Stall ein und stahl zwei Hähne, denen er, während er ihnen leise Entschuldigungen zumurmelte, den Kopf abschnitt und ihr Blut in einer Silberschale sammelte. Dann malte er mit Kreide einen großen Kreis auf den Boden, um den herum er neun Teelichter stellte und entzündete, und daneben zeichnete er ein Dreieck. In die Schale mit dem Tierblut gab er ein wenig Weihrauch und Styrax und, weil ihm Hähne zu minderwertig schienen, auch einige Tropfen seines eigenen Blutes, das er aus einer fix herbeigeführten, Besorgnis erregend ergiebigen Wunde am Handrücken schüttelte. Die Schale setzte er in das Dreieck und erhitzte sie mit einem weiteren Teelicht. Paul selber stellte sich in den schützenden Kreis und nahm mit einer erhabenen Geste eines der Bücher und zitierte die angegebene Beschwörungsformel und forderte Gylghaar, den Totengeist, auf, sich ihm zu zeigen. Das kochende Blut stank, aber es schien für das Jenseitswesen ein Geschenk zu sein, das es nicht ignorieren konnte.
    Brausend näherte es sich bald und kam neben der Schale in dem gemalten Dreieck zum Stehen. Nach dem Verzehr des Blutes waren die Verhandlungen mit dem ziegenbärtigen, klumpfüßigen und höchstens einen Meter großen Gylghaar, von dem Paul eine Abbildung im Anhang des Beschwörungsbuches gesehen hatte, nicht besonders schwierig. Er erklärte sich bereit, Emilia dem Reich des Todes zu entreißen, schwieg sich jedoch darüber aus,
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