Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenmesse

Titel: Totenmesse
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
kamen in eine Art Chefbüro. An einem Schreibtisch saß ein kleiner Mann mit dunklen Schatten unter den Augen, die nicht von einem extrem wachsamen Blick ablenkten. An der Wand hinter ihm stand ein Mann von Nybergs Größe mit ausgebeulter Innentasche. Es war wie in einem Film. Nyberg konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Dann dachte er an Ludmila, und das Lächeln verschwand.
    Â»Sie brauchen also eine Schusswaffe«, sagte der Mann am Schreibtisch.
    Â»Ja«, sagte Nyberg knapp.
    Â»Eine Handfeuerwaffe?«
    Â»Eine Pistole«, sagte Nyberg.
    Â»Munition?«
    Â»Zwei Magazine genügen.«
    Der Mann nickte und zog eine Schreibtischschublade auf. »Wenn Sie verschwinden und sich nie wieder blicken lassen, können Sie diese Luger mit zwei Magazinen für zweitausend Euro haben.«
    Nyberg betrachtete die Waffe mit fragender Miene. Der Mann nickte kurz und griff nach dem Magazin.
    Nyberg nahm die Waffe in die Hand. Er rief sich die fremde Gestalt in Erinnerung, die er vor zwanzig Jahren gewesen war, um ein Gefühl für das kalte Metall zu bekommen. So lange war es her, seit er sich für Waffen interessiert hatte. Er wog die Pistole in der Hand und nickte. »Wichtig ist, dass sie funktioniert«, sagte er.
    Â»Das tut sie«, nickte der Mann mit einem schwachen Lächeln. »Zweitausend.«
    Gunnar Nyberg blätterte zweitausend Euro auf den Tisch und erhielt die Magazine. Er bedankte sich mit einem kurzen Nicken und ging. Draußen im Restaurant hielt er inne und setzte sich an einen Tisch. Der Barkeeper betrachtete ihn misstrauisch.
    Â»Ich bin hungrig«, sagte Gunnar Nyberg.
    Er blieb gute zwei Stunden im Restaurant und aß. Von Zeit zu Zeit sah er den großen Mann mit der ausgebeulten Jackentasche auftauchen.
    Gunnar Nyberg trank ein Glas Chianti zu der erlesenen Saltimbocca mit Pasta. Das musste genügen. Ungefähr wie bei italienischen Fußballspielern vor einem Spiel.
    Denn was ihn erwartete, war ein Spiel. Ein Spiel aus den Zeiten des Kalten Krieges.
    Ein Rückspiel.
    Als er auf die menschenleere Gasse trat, war es stockdunkel. Nur an einigen Straßenecken flackerte ein schwaches Licht. Der Himmel war sternenklar. Der Große Bär lag in einem anderen Winkel als in Schweden.
    Er zog den schwer gewordenen Rucksack über die Schultern und machte sich auf den Weg. Eine Gasse nach der anderen. Und von Wayne Jennings war nichts zu sehen.
    Er kam zu dem kleinen Platz. Die Tür zu dem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert war immer noch offen. Er schlich sich die beiden Treppen zur Zahnarztpraxis hinauf und suchte den Satz Meißel heraus. Er war etwas aus der Übung, aber die alte Fingerfertigkeit stellte sich schnell wieder ein, und bald hörte er das vertraute Klicken des Schlosses. Die Tür ging auf.
    Eigentlich befriedigte es ihn mehr, Türen einzutreten, aber man musste sich nach den örtlichen Gegebenheiten richten. Es war eine große Wohnung, für die damalige Zeit ein perfektes Hauptquartier für die Stasi. Jetzt schienen hier mindestens drei Zahnärzte zu praktizieren. Er ging an zwei Empfangszimmern vorbei und kam in das dritte. Er holte den Zollstock hervor und maß zwei Komma vierundzwanzig vom Türrahmen und eins Komma dreiundfünfzig vom Fußboden. Ein Kreuz mit dem Ende des Zollstocks, und dann das Stemmeisen angesetzt. So leise wie möglich begann er, ein Loch in die Wand zu stemmen. Gute zehn Zentimeter, hatte Kerstin gesagt.
    Es dauerte eine gute halbe Stunde, das kleine Rohr freizulegen. Aber es steckte genau dort, wo es sein sollte. Mithilfe des Messers mit der breiten Klinge gelang es ihm, den Korken aus dem Rohr zu entfernen. Er zog das vergilbte Papier heraus und schob es vorsichtig in das Außenfach des Rucksacks. In das Innenfach legte er Stemmeisen und Zollstock und holte Taschenlampe und Pistole heraus.
    Er legte eines der beiden Magazine ein und schob das andere in die rechte Tasche seines alten Lumberjacks. In die linke schob er die Taschenlampe. Er sicherte die Pistole und steckte sie rechts in den Hosenbund. Auf die linke Seite steckte er die Scheide mit dem Messer mit der breiten Klinge. Er bewegte sich ein wenig zur Probe, die Ausrüstung war nicht weiter lästig. Wenn man davon absah, dass die ganze Situation lästig war.
    In dem Augenblick, als er Wayne Jennings verzerrtes Spiegelbild in dem Wärmeaggregat erkannt hatte, wusste Gunnar Nyberg, dass es kein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher