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Totenblüte

Totenblüte

Titel: Totenblüte
Autoren: Ann Cleeves
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Vorwürfe deswegen.»
    Sie gingen jetzt über festen Sand, den die Flut zurückgelassen hatte. Julie krempelte die Beine ihrer Jeans hoch und ließ das Wasser über ihre Füße schwappen. Die Polizistin musste ein Stück zurückbleiben, um ihre Sandalen nicht nass zu machen, und Julie schaute aufs Meer hinaus, damit Vera ihre Tränen nicht sah.
    «Aber irgendwer hat ihn umgebracht», sagte Vera. Julie konnte sie kaum verstehen. Obwohl das Meer ganz ruhig war und kaum Wellen warf, hörte man doch immer noch ein leises Schmatzen, wenn das Wasser wieder zurückwich. «Irgendwer hat ihn erwürgt und ihn anschließend nackt ausgezogen. Irgendwer hat die Badewanne gefüllt, ihn hineingelegt und die Blumen auf dem Wasser verstreut.»
    Julie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, deshalb schwieg sie.
    «Hatten Sie die Blumen im Haus?», fragte Vera.
    Julie drehte sich wieder zu ihr um. «Ich habe nie Blumenim Haus. Laura hat Heuschnupfen. Ihr tränen die Augen davon.»
    «Was ist mit dem Garten?»
    «Das ist ja wohl nicht Ihr Ernst. In unserem Garten wächst absolut nichts. Mein Vater kommt hin und wieder vorbei und mäht den Rasen, aber wir haben uns nie die Mühe gemacht, irgendwas zu pflanzen. Da ist ja gerade mal genug Platz für die Wäschespinne.»
    «Dann hat der Mörder die Blumen also selbst mitgebracht. Wir gehen jetzt der Einfachheit halber mal von einem männlichen Mörder aus. Mörder sind meistens Männer. Was natürlich nicht heißt, dass wir irgendetwas ausschließen. Aber wieso hatte er Blumen dabei? Fällt Ihnen dazu etwas ein?»
    Julie schüttelte den Kopf, doch plötzlich erinnerte sie sich doch.
    «Sie haben Blumen dort verstreut, wo Thomas ertrunken ist. Sie haben die Blüten in den Fluss geworfen. Alle Nachbarn aus der Straße, wo seine Mutter wohnte, selbst die, die ihn gar nicht kannten oder ihn nicht mochten. Sie wollten damit ihr Mitgefühl ausdrücken. Dass sie wissen, was für ein schlimmer Verlust das ist, wenn jemand sterben muss, weil ein paar Jungs herumblödeln. Luke war auch dort. Ich hatte ihm bei Morrison’s ein paar Narzissen gekauft.»
    «Blumen als Zeichen von Trauer und Anteilnahme», sagte Vera. «Ein universelles Symbol.»
    Julie wusste nicht recht, was sie damit meinte.
    «Wollen Sie damit sagen, dass es Lukes Mörder leidgetan hat?»
    «Vielleicht.»
    «Aber wenn es ihm leidtut   … irgendwie ja schon im Voraus leidgetan haben muss, falls die Blumen das wirklich bedeuten   … warum hat er ihn dann überhaupt umgebracht?Es hat ihn ja wohl keiner gezwungen, bei mir einzubrechen und ihn zu töten.»
    «Es war kein Einbruch», sagte Vera.
    «Wie bitte?»
    «Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich jemand gewaltsam Zutritt verschafft hat. Kein eingeschlagenes Fenster oder so was. Es sieht alles danach aus, als hätte Luke ihn selbst hereingelassen. Oder Laura.»
    «Das war sicher Luke», sagte Julie unglücklich. «Er ließ sich immer gleich von jedem um den Finger wickeln. Wenn er Geld hatte, bekam jeder Bettler auf der Straße etwas ab. Er hätte jeden reingelassen, der klingelt und ihm irgendeine Geschichte erzählt. Laura ist da vernünftiger.»
    «Haben Laura und Luke sich gut verstanden?»
    «Was wollen Sie denn damit sagen?» Dass die Polizistin sie des Mordes verdächtigte, war ja schon ein starkes Stück, aber Laura! «Laura ist vierzehn, sie ist noch ein Kind!»
    «Es gibt nun mal bestimmte Fragen, die ich Ihnen stellen muss», erwiderte Vera. «Das wissen Sie selber, Sie sind doch nicht blöd.» Sie schwieg einen Augenblick. «Und Sie wissen auch, dass ich irgendwann mit ihr reden muss. Im Moment geht das noch nicht, aber wenn sie so weit ist, muss ich mich mit ihr unterhalten. Da ist es besser, wenn ich vorher weiß, wie das Verhältnis zwischen den beiden war. Kann es zum Beispiel sein, dass Luke ihr etwas anvertraut hat? Wenn ihm etwas Sorgen gemacht hat, würde sie das wissen?»
    «So eng waren sie nicht», sagte Julie. «Für Laura war es nicht leicht, so einen Bruder zu haben. Er kriegte ja immer die ganze Aufmerksamkeit. Natürlich habe ich versucht, mich auch um sie zu kümmern, aber um ihn habe ich mir einfach immer Sorgen gemacht. Ich glaube, es war sehr schwierig für sie, mit ihm auf derselben Schule zu sein.Alle wussten, dass er ständig Ärger hatte. Und alle machten sich über ihn lustig. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie ihm etwas Böses wollte.»
    «Nein», sagte Vera. «Natürlich nicht.»
    Zwei halbwüchsige Jungs rannten über die
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