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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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allmorgendlichen Besprechung, während der die Arbeit des Tages auf die fünf Pathologen verteilt wird, hatte LaManche mich mit der Autopsie des Falles betraut, der inzwischen die Nummer 26704 erhalten hatte. Angesichts des nahezu skelettierten Zustands der Leiche war meine Expertise als forensische Anthropologin gefragt.
    Weil einer der Autopsieassistenten sich krank gemeldet hatte, waren wir ausgerechnet heute unterbesetzt. Dabei hatte uns die vergangene Nacht reichlich Arbeit beschert: Ein Teenager hatte sich das Leben genommen, ein älteres Ehepaar war tot in seinem Haus aufgefunden worden, und in einem verbrannten Auto hatte man eine vollkommen verkohlte Leiche gefunden. Weil auf fünf Obduktionen nur vier Assistenten kamen, hatte ich angeboten, alleine zu arbeiten.
    Ich trug grüne Chirurgenkleidung, eine Schutzbrille aus Plastik und Latexhandschuhe – ein entzückendes Outfit. Als erstes reinigte und photographierte ich den Kopf, damit er noch diesen Morgen geröntgt werden konnte. Danach würden wir ihn kochen, um das verweste Fleisch und die Reste des Gehirns zu entfernen und mir eine genaue Untersuchung des Schädels zu ermöglichen.
    Zuvor aber prüfte ich noch die Haare auf Fasern oder andere Spuren. Als ich die feuchten Strähnen in den Händen hielt, mußte ich daran denken, wann die tote Frau dieses Haar wohl zum letzten Mal gekämmt hatte. Hatte sie zufrieden, frustriert oder gleichgültig in den Spiegel geblickt? War ihr letzter Tag ein guter oder schlechter Tag für die Haare gewesen?
    Ich brach diese Überlegungen ab, steckte eine Probe des Haares in einen Plastikbeutel und schickte ihn für eine mikroskopische Untersuchung ans biologische Labor. Der Gummisauger und die Müllsäcke befanden sich schon dort, wo sie auf Fingerabdrücke, Rückstände von Körperflüssigkeiten und andere mikroskopische Spuren untersucht wurden, die möglicherweise auf die Identität von Täter oder Opfer schließen ließen.
    Obwohl ich am vergangenen Abend noch drei Stunden lang auf Händen und Knien in Erde, Schlamm, Gras und Laub herumgesucht hatte, war ich am Fundort der Leichenteile auf keine weiteren Hinweise gestoßen. Als ich die Suche bei Einbruch der Dunkelheit aufgegeben hatte, war ich mit leeren Händen dagestanden. Keine Kleidung. Keine Schuhe. Kein Schmuck. Keinerlei persönliche Dinge. Heute wollten die Leute von der Spurensicherung weitersuchen, aber ich bezweifelte, daß sie noch etwas finden würden. Ich hatte also wieder einmal weder Schnallen noch Reißverschlüsse und auch keine Kleidungsstücke mit Herstelleretiketten oder Schuß- beziehungsweise Einstichlöchern, von Waffen oder Fesseln ganz zu schweigen, die einen Hinweis auf die Todesart hätten geben können. Die zerstückelte Leiche war splitternackt und – wenn man von dem Gummisauger einmal absah – ohne den geringsten Gegenstand, der irgendwelche Rückschlüsse auf ihre Identität zugelassen hätte, in die Plastiksäcke gesteckt worden. Der Mörder war beim Zerlegen der Leiche ganz systematisch vorgegangen. Ebenso wie den Torso und den Kopf hatte er – oder sie – Arme und Beine fein säuberlich in jeweils einem Müllsack verpackt. Zusammen ergab der Inhalt der vier Säcke, die wir nach und nach in dem Gehölz gefunden hatten, ein komplettes Skelett. Daß er die Tote einfach weggeworfen hatte wie ganz normalen Hausmüll, ließ in mir eine Wut hochsteigen, die ich aber sogleich wieder zurückdrängte. Ich mußte mich auf meine Arbeit konzentrieren.
    Obwohl sie alle oben zugeknotet gewesen waren, hatten die Säcke mit dem Torso und den Gliedmaßen nicht so gut dichtgehalten wie der, in dem der Kopf gesteckt hatte. So war ich, als ich daran ging, den Inhalt des Leichensacks einer ersten Untersuchung zu unterziehen, mit Leichenteilen in unterschiedlichen Erhaltungszuständen konfrontiert. Diese mußte ich zunächst auf dem großen Autopsietisch aus Edelstahl anatomisch richtig einander zuordnen. Eine gründliche Untersuchung am Skelett würde ich erst später vornehmen, wenn die Knochen gereinigt waren.
    Zuerst legte ich den Torso mit der Brust nach oben in die Mitte des Autopsietisches. Er war von allen Körperteilen am schlechtesten erhalten, so daß die einzelnen Knochen nur noch durch vertrocknete Muskeln und Sehnen zusammengehalten wurden. Ich bemerkte, daß die obersten Halswirbel fehlten und vermutete, daß diese sich noch am Kopf befinden mußten. Von den inneren Organen war bis auf ein paar eingetrocknete Reste nichts übrig
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