Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Ruhm

Tödlicher Ruhm

Titel: Tödlicher Ruhm
Autoren: Ben Elton
Vom Netzwerk:
»Angenommen, ein Mann wird von seiner Freundin wegen mangelnder Standhaftigkeit im Bett verspottet. Irgendwann stürmt er in die Nacht hinaus, und ein Fremder, der gerade auf dem Heimweg ist, tritt ihm versehentlich von hinten auf die Hacken. Der Mann fährt herum und erschlägt den Fremden, obwohl er eigentlich seine Freundin erschlagen wollte.«
    »Na, ja, Sir, ich kann mir vorstellen, dass es bei einem spontanen Wutausbruch so weit kommen mag, aber dieser Mord ist doch passiert, nachdem Layla schon lange weg war...«
    »Also gut. Stellen Sie sich eine Gruppe von Freunden vor. A hat ein finsteres Geheimnis, das B entdeckt. Dann fängt B an, dieses Geheimnis zu verbreiten. Das wiederum kommt A zu Ohren, doch als A dann B zur Rede stellt, behauptet B, das eigentliche Plappermaul sei C, der in Wahrheit gar nichts davon weiß. Der Falsche kommt um. Meiner Erfahrung nach sind normalerweise erheblich mehr Menschen in einen Mord verwickelt als nur der Täter und das Opfer.«
    »Also behalten wir Layla im Auge?«
    »Nun, natürlich nicht als eigentliche Tatverdächtige. Aber bevor sie das Haus verlassen hat, kann sie sehr wohl etwas angestiftet haben, das schließlich zum Mord führte. Machen wir weiter.«
    Trisha drückte den Startknopf, worauf sich die Kamera von Woggle abwandte und mit einem Schwenk die zehnte und letzte Kandidatin ins Visier nahm.
    Dervla. Beruf: Traumatherapeutin. Sternzeichen: Stier.

    Sie war die Schönste, darüber waren sich alle einig, und die Geheimnisvollste. Still und auffällig ruhig, sodass man nie so recht sagen konnte, was hinter diesen lächelnden grünen irischen Augen vor sich ging. Augen, die stets über etwas anderes zu lachen schienen als der Rest der Gruppe. Als es zu dem Mord kam, stand sie auf der Beliebtheitsskala der Buchmacher an zweiter Stelle und wäre Nummer Eins gewesen, hätte nicht Geraldine Hennessy im Videoschnitt immer wieder gegen sie gearbeitet und sie als eingebildete Gans dargestellt, obwohl sie in Wahrheit vielleicht nur ein wenig entrückt war.
    »Und was macht nun eine Traumatherapeutin zu Hause im stillen Kämmerlein?«, fragte Garry. Er und Dervla lagen ausgestreckt am Pool und genossen die Nachwirkungen des morgendlichen Champagners.
    »Ich denke, mein Job besteht darin, zu begreifen, wie Menschen auf Stress reagieren, und ihnen dann zu helfen, damit fertig zu werden«, antwortete Dervla mit ihrem weichen Dubliner Akzent. »Deshalb wollte ich in diese Sendung. Ich meine, all das hier ist doch im Grunde nur eine Folge kleiner Traumata, oder? Es dürfte sehr interessant werden, den Menschen, die diese Traumata erleben, nahe zu sein und sie dabei selbst zu erleben.«
    »Dann hat es also nichts mit der halben Million Mücken zu tun, die es zu gewinnen gibt?«
    Dervla war schlau genug, die Behauptung nicht vollständig abzustreiten. Sie wusste, dass die Nation ihre Antwort bestimmt noch am selben Abend genau unter die Lupe nehmen würde.
    »Na ja, das wäre natürlich nett. Aber ich bin mir sicher, dass ich lange vorher rausgeworfen werde. Nein, im Grunde bin ich hier, um etwas zu lernen. Über mich selbst und über Stress im Allgemeinen.«

    Coleridge war der Verzweiflung so nahe, dass er sich noch einen Becher Tee machen musste. Da war diese wunderschöne, intelligente Frau, zu der er sich peinlicherweise auch noch hingezogen fühlte, mit Augen wie Smaragden und einer Stimme wie Milch und Honig, und dann redete sie absoluten, vollkommenen Schwachsinn.
    »Stress! Stress!« Coleridge schrie für seine Verhältnisse beinahe. »Vor kaum mehr als zwei Generationen stand die gesamte Bevölkerung dieses Landes im Schatten einer drohenden brutalen Besatzung durch eine Bande mörderischer Nazis! Eine Generation vorher haben wir eine Million kleiner Jungs in den Schützengräben verloren. Eine Million unschuldiger Knaben. Jetzt haben wir >Therapeuten<, die das >Trauma< studieren, aus einer Fernsehshow geworfen zu werden. Manchmal könnte ich verzweifeln, ganz ehrlich, wissen Sie. Ich könnte verzweifeln.«
    »Ja, aber, Sir«, sagte Trisha, »im Krieg und so hatten die Leute was, wofür sie sich einsetzen konnten, woran sie glauben konnten. Heutzutage gibt es nichts mehr, woran wir besonders glauben könnten. Sind unsere Ängste und Qualen deshalb weniger bedeutend?«
    »Ja, das sind sie!« Coleridge bremste sich, bevor er noch mehr sagen konnte. Gelegentlich fiel es ihm selbst auf, wenn er wie ein bigotter, reaktionärer alter Kauz klang. Er holte tief Luft und wandte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher