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Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa

Titel: Todesträume am Montparnasse - Ein Fall für Kommissar LaBréa
Autoren: Alexandra Grote
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davon war und er, für alle sichtbar, nicht besonders gut damit klarkam.
    Franck lächelte schief.
    »Mal was ganz Neues, Chef. Selbstmord eines überführten Vergewaltigers, der als Wiederholungstäter
so schnell nicht wieder aus dem Bau gekommen wäre. Also hat er eine andere Lösung gewählt. An Mord glaube ich, ehrlich gesagt, nicht.«
    LaBréa zuckte mit den Schultern, wies sich den Beamten gegenüber aus und gab vorschriftsmäßig seine Dienstwaffe ab. Einer der Männer, ein schmächtiger Blonder mit Igelfrisur, wählte eine Nummer auf seinem Telefon und sagte gleich darauf: »Commissaire LaBréa ist jetzt da, Monsieur.«
    »Wer hat den Mann gefunden, und wann?«, fragte ihn LaBréa, kaum dass er aufgelegt hatte.
    »Kollege Roussel«, antwortete der Blonde. »Und zwar kurz nach neun heute Morgen. Es war gerade Schichtwechsel der Kollegen, und diesen Moment muss der Häftling abgewartet haben. Beim Frühstück um sieben lebte er noch und hat ganz normal Essen gefasst. Aber das erzählt Ihnen der Direktor am besten gleich selbst.«
    Franck strich sich nervös mit der Hand übers unrasierte Gesicht. LaBréa stand jetzt neben ihm und bemerkte, dass er nach Schweiß, kaltem Rauch und billigem Fusel roch.
    »Dr. Foucart ist also schon da«, sagte LaBréa.
    »Ja, sie kam vor fünfzehn Minuten und ist oben in der Zelle. Und Duval ist auch hier. Sie wissen schon, der Neue bei der Staatsanwaltschaft.«
    In dem Moment betrat der Gefängnisdirektor den Raum. Er war ein schwergewichtiger Mann mit grauer Lockenpracht und leicht geschürzten Lippen, die an die
eines Säuglings erinnerten. In der Hand, an der ein breiter Ehering steckte, hielt er eine halb aufgerauchte Zigarette, die er sogleich in einem der Aschenbecher ausdrückte, die auf dem Tresen standen.
    »Meine Herren!« Er zog die Luft durch die Nase und streckte erst LaBréa, dann Franck die Hand hin. »Verdammt unangenehme Geschichte! Die hat uns gerade noch gefehlt, nachdem wir in den letzten Jahren dermaßen in der Kritik gestanden haben und die Presse sich wie die Aasgeier auf uns gestürzt hat. Kommen Sie, wir gehen gleich in seine Zelle. Er hing am Fensterkreuz, zwei Wärter haben ihn abgenommen, und Dr. Clément, unsere Gefängnisärztin, hat den Tod festgestellt. Ansonsten haben wir nichts angerührt.«
    »Wurde ein Abschiedsbrief gefunden?«
    »Nein.«
    Sie verließen das Büro, und ein Wärter führte sie über die Gänge, öffnete und schloss die metallenen Gittertüren. Aus den verschlossenen Zellen waren vereinzelt Stimmen zu hören, Rufe ertönten, Pöbeleien. Die übliche Geräuschkulisse in einer Strafanstalt.
    Die Zelle des Selbstmörders Julien Lancerau lag im ersten Stock. Die Zellentür stand weit offen, und ein älterer Wärter hatte sich davor postiert.
    Brigitte Foucart, die Gerichtsmedizinerin, die LaBréa seit vielen Jahren kannte, blickte nur kurz hoch, als die drei Männer die Zelle betraten, und murmelte einen Gruß. Staatsanwalt Duval, ein mickriges Bürschchen
mit fahler Gesichtsfarbe und einem leicht arroganten Gesichtsausdruck, durchquerte mit langsamen Schritten den kleinen Raum. Er hatte beide Hände in den Taschen seines Lodenmantels vergraben und sah aus, als langweilte er sich. An der Wand neben dem kleinen Tisch lehnte eine etwa dreißigjährige Frau im weißen Kittel, die Arme über der Brust verschränkt. Das musste die Gefängnisärztin sein. Als der Direktor sie LaBréa vorstellen wollte, kam sie ihm zuvor.
    »Hélène Clément«, sagte sie mit einer etwas rauen Stimme. »Ich bin die Gefängnisärztin.« Ihr Händedruck war kurz und kräftig.
    LaBréa stellte fest, dass sie eine äußerst attraktive Frau war. Ihre dunklen, vollen Haare waren halb lang geschnitten, ihr Gesicht wirkte ebenmäßig und klassisch. Das flüchtige Lächeln ihrer geschwungenen Lippen verlieh ihren Zügen etwas Weiches und Zerbrechliches. Etwas, das in jedem Mann sofort den Beschützerinstinkt weckt, dachte LaBréa spontan. Doch dann irritierte ihn der Blick ihrer schwarzbraunen Augen. Er stand im Kontrast zu der vermeintlichen Zerbrechlichkeit. Es lag kein Ausdruck von Härte oder gar Kälte darin. Nur eine große Leere, als blickte man in einen tiefen, dunklen Schacht. Es konnte auch Trauer sein, Leid oder eine große Einsamkeit. Er würde es wohl nie erfahren, und letzten Endes spielte es ja auch keine Rolle.
    Aus den Augenwinkeln sah LaBréa, dass Franck die junge Ärztin ebenso neugierig wie ungeniert taxierte.
LaBréa räusperte sich und warf
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