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Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.

Titel: Tod und Teufel. Bundesausgabe.: Ein Krimi aus dem Mittelalter.
Autoren: Frank Schätzing
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kein Wort.«
    »Wie dumm. Also muß ich noch mehr des Guten tun.« Jacop warf das Stöckchen in die Luft und fing es mit der Rechten auf. Als seine Finger auseinanderfuhren, war die Flöte verschwunden.
    Ihre Augen wurden zunehmend größer, bis Jacop fürchtete, sie würden aus den Höhlen kullern.
    »Wie habt Ihr –?«
    »Und nun gebt acht.«
    Rasch griff er hinter ihr Ohr, hexte die Flöte hervor, nahm ihre Linke aus dem Wasser und legte das winzige Instrument in ihre Handfläche. »Für Euch«, strahlte er. Sie errötete, schüttelte den Kopf und lachte leise. Jacop stellte fest, daß er ihr Lachen mochte. Er strahlte noch mehr.
    Sie betrachtete eine Weile ihr Geschenk, dann fixierte sie ihn nachdenklich und krauste die Nase. »Seid Ihr wirklich so ein Erzverbrecher?«
    »Aber gewiß! Ich habe Dutzende von Männern erdrosselt, und das nur mit meinem kleinen Finger. Man nennt mich das Joch!« Wie zum Beweis spreizte er den kleinen Finger ab, kam zu dem Schluß, daß es der Geschichte am Odeur der Wahrhaftigkeit gebrach und ließ die Schultern hängen. Sie bedachte ihn mit einem strafenden Blick, während ihre Lippen zuckten vor verhaltener Heiterkeit.
    »Schon gut.« Er warf ein Steinchen ins Wasser. »Ich versuche einfach, am Leben zu bleiben. Das ist alles. Ich finde das Leben schön, was nicht immer leicht ist. Und ich denke, der da oben wird das irgendwie verstehen. Es sind ja nicht die Äpfel aus dem Paradies, die ich mitgehen lasse.«
    »Aber es sind Gottes Äpfel.«
    »Schon möglich. Aber mein Hunger ist nicht Gottes Hunger.«
    »Was Ihr alles so daherredet! Helft mir lieber mit dem Tuch.«
    Gemeinsam nahmen sie das vom Wasser schwere Leinen hoch und trugen es zu einem aus Holzstecken errichteten Gerüst vor dem Haus, in dem sie offenbar wohnte. Weitere Stoffe trockneten dort bereits in der Sonne. Es roch nach Waid, dem Farbstoff aus dem Jülicher Land, dank dessen die Blaufärber überhaupt blau färben konnten.
    »Wie heißt Ihr eigentlich, da ich Euch nun schon mal das Leben gerettet habe?« fragte sie, während sie den Stoff auf dem Gitter glattzog und achtgab, daß die Ränder nicht den Boden streiften.
    Jacop fletschte die Zähne.
    »Ich bin der Fuchs!«
    »Man sieht's«, gab sie trocken zurück. »Habt Ihr auch einen Namen?«
    »Jacop. Und Ihr?«
    »Richmodis.«
    »Was für ein schöner Name.«
    »Was für ein einfallsloses Kompliment.«
    Jacop mußte lachen. »Lebt Ihr hier ganz alleine?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ihr seid heute schon der Zweite, der mir die Frage stellt. Was muß ich eigentlich noch alles für Geschichten erfinden, damit ihr Strolche mich endlich zufrieden laßt?«
    »Also wohnt Ihr mit Eurem Gatten hier?«
    Sie verdrehte die Augen. »Ihr laßt nicht locker, was? Ich lebe bei meinem Vater. Eigentlich ist er der Färber, aber der Rücken macht ihm immer mehr zu schaffen, und seine Finger sind krumm vom Rheuma.«
    Rheuma war die typische Färberkrankheit. Der ständige Umgang mit Wasser, egal zu welcher Jahreszeit, war daran schuld. Im allgemeinen lebte man als Blaufärber nicht schlecht, weil aus den Stoffen Arbeitskittel geschnitten wurden, und über Mangel an Arbeit konnte sich im Reich keiner beklagen. Der Tribut war eine ruinierte Gesundheit. Aber was spielte das für eine Rolle, wo letzten Endes jedes Handwerk die Gesundheit ruinierte, jedes auf seine eigene Weise, und die reichen Kaufleute, die ihr Geld mehr mit dem Kopf verdienten, fast ausnahmslos von der Gicht geplagt wurden?
    Erst kürzlich, hieß es, hatte zwar der Leibarzt König Ludwig des IX. von Frankreich in Royaumont öffentlich konstatiert, die Gicht erwachse dem übermäßigen Genuß von Schweinefleisch, aber die Medici vom heiligen Stuhl hatten dem entgegengehalten, wer reich sei, habe mehr Gelegenheit zur Sünde und dementsprechend mehr zu büßen. Was als Beweis dienen möge für die Gicht als einen Akt von Gottes Gnaden, der Selbstzucht und Kasteiung dienend, womit verbunden der Herr in seiner unendlichen Güte immerhin den Aderlaß erfunden und so ein Licht entfacht habe im hohlen Schädel der Medizin. Darüberhinaus sei nicht einzusehen, was dieses Forschen nach Ursachen überhaupt bezwecke – als diene Gottes Wille konzilischen Disputen oder gar der niederen Vermessenheit aufrührerischer Ketzer und Häretiker!
    »Tut mir leid für Euren Vater«, sagte Jacop.
    »Wir haben einen Physikus in der Familie.« Richmodis betrachtete prüfend das Tuch und zupfte eine Falte heraus. »Da ist er gerade
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