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Tod im Beginenhaus

Tod im Beginenhaus

Titel: Tod im Beginenhaus
Autoren: Petra Schier
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irgendwann vergehen.»
    «Merkwürdig, dass der Bader das nicht festgestellt hat», meinte Adelina.
    «Ach, der hat mich doch gar nicht richtig untersucht.» Benedikt machte eine wegwerfende Handbewegung. «Der meinte wohl, ich sei der Mühe nicht wert.»
    Adelina schüttelte empört den Kopf, doch Burka ging nicht weiter darauf ein, sondern befand: «So wie ich es sehe, sind die Umschläge, die Adelina Euch gemacht hat, genau das Richtige, bis alles wieder verheilt ist. Mehr kann ich da auch nicht tun. Allerdings solltet Ihr nicht an diesem zugigen Fenster schlafen. Das könnte Eure Schmerzen verschlimmern. Immerhin ist es nachts schon recht kalt.»
    «Ich gehe nicht vom Fenster weg!» Benedikt wurde noch blasser und klammerte sich entsetzt an seine Decke. «Sagt ihm, dass ich nicht hier weggehe!»
    «Ihr braucht nicht hier wegzugehen. Natürlich behaltet Ihr Euren Fensterplatz.» Irmingard legte dem aufgeregten Mann eine Hand auf die Schulter und redete beruhigend auf ihn ein.
    Adelina wandte sich ab und ging in Richtung Wandschirm. Burka folgte ihr auf dem Fuße.
    «Was hatte das denn zu bedeuten?»
    «Benedikt ist als Kind von seiner Mutter in einem kleinen Kellerraum ohne Fenster eingesperrt worden, weil er diese Behinderung hatte», flüsterte sie zurück. «Er kann keine Dunkelheit vertragen und bringt es nicht fertig, woanders als unter dem Fenster zu schlafen.» Sie trat hinter den Wandschirm und steuerte zielstrebig auf die kleine Vincentia zu. Das Mädchen saß auf seinem Bett und drehte ohne Unterlass ein Strohpüppchen in den Händen.
    «Na, Vincentia, wie geht es dir heute?» Adelina strich ihr übers Haar, doch die Kleine reagierte nicht. Die Puppe drehte sich weiter. «Hast du schon gegessen? Sieh mal, ich habe dir etwas mitgebracht. Ein Kleid für dein Püppchen.» Sie holte ein Puppenkleid unter ihrem Mantel hervor, das sie aus Stoffresten zusammengenäht hatte, und legte es vor Vincentia hin. Die Kleine schien es nicht zu beachten. Adelina betrachtete sie noch eine Weile, dann wandte sie sich zum Gehen. Plötzlich griff das Mädchen nach dem Kleid und presste es an die Brust. Dabei wiegte sie sich vor und zurück.
    «Schönes Kleid», sagte sie. Das Püppchen war einen Augenblick zur Ruhe gekommen.
    Adelina sah sich nach Reinhild um, doch die schien sich noch im Speiseraum aufzuhalten. Deshalb machte sie sich wieder auf den Weg nach draußen. Der Medicus begleitete sie schweigend.
    «Das ist kein normales Hospital», sagte er, als sie wieder auf der Straße standen. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Adelina zog den Kopf ein und marschierte los. Burka, der wesentlich längere Beine hatte, hielt jedoch leicht mit ihr Schritt. «Ich habe mich umgesehen. Die meisten Patienten, die dort untergebracht sind, sind nicht richtig im Kopf.»
    «Das kommt ganz auf den Standpunkt an.»
    «Mag sein.» Der Medicus sah sie von der Seite an. «In den meisten Städten werden solche Menschen in Türme oder Gefängnisse gesteckt.»
    «Das weiß ich.» Adelina blieb stehen und strich sich eine feuchte Haarsträhne aus dem Gesicht. «Seit die Beginen das Hospital gebaut haben, brauchen wir den Narrenturm nicht mehr. Sie kümmern sich gut um die Kranken. Im Turm würden sie nur angekettet oder eingesperrt. Die alte Grande Dame Brigitta und Schwester Irmingard haben vor dem Stadtrat darum gekämpft, dass die Geisteskranken ins Hospital gebracht wurden. Dort werden sie wenigstens gut behandelt.» Sie stapfte weiter.
    «Nicht viele Menschen denken so.» Hinter ihnen wurde Hufgetrappel laut. Jemand stieß einen Warnruf aus. Burka nahm Adelinas Hand und zog sie in einen Hauseingang. Polternd rollte ein mit Weinfässern beladenes Fuhrwerk an ihnen vorbei.
    «Ich denke jedenfalls so.» Adelina schüttelte seinen Arm ab und marschierte entschlossen weiter. Den Rest des Weges schwiegen sie.
    Gleich nach der Wiederkehr ins Apothekerhaus zog der Medicus sich in seine Kammer zurück. Albert Merten hatte in der Apotheke alle Hände voll zu tun. Adelina half ihrem Vater die Kunden bedienen, danach bereitete sie das Mittagessen und setzte Wasser auf. Am Nachmittag wollte sie Vitus baden. Der Junge half ihr, den großen Bottich in die Stube zu tragen, und sah ihr aufgeregt dabei zu, wie sie den großen Hinterladeofen von der Küche aus anheizte. Vitus liebte es zu baden. Am liebsten hätte er seine Katze ebenfalls gewaschen, doch beim Anblick des Wassers war Fine mit einem großen Satz auf einesder Regale gesprungen und
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