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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal
Autoren: H Nygaard
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erfahren, als sie die Schwangerschaft
eingestanden hat.« Ein paar Tränen traten aus seinen Augen. »Dann habe ich die
Welt nicht mehr verstanden. Sie haben selbst erlebt, wie hart Maike mich wegen
meiner Hautfarbe angegangen hat. Ich habe fürchterlich darunter gelitten. Und
dann lässt sie sich selbst mit einem ›Bunten‹ ein. Natürlich können
Sechzehnjährige noch nicht ermessen, was im Leben auf sie zukommt. Schon gar
nicht, was es bedeutet, Verantwortung für ein eigenes Kind zu tragen. Da wird romantisiert.
Sie erzählte mir den Abend, dass sie gemeinsam mit dem Libanesen Zukunftspläne
schmiedete. Stellen Sie sich vor, wie sie mir und meiner Frau ins Gesicht
gesagt hat, sie wolle dem jungen Mann in dessen Heimat folgen. Bei all der
politischen Unruhe, die dort herrscht, und dem anderen Verständnis, das man
Frauen entgegenbringt, konnte ich das doch nicht zulassen! So habe ich ihm noch
am selben Abend gesucht. In Friedrichstadt ist es nicht schwer, jemanden zu
finden.« Hauffe wischte sich mit dem Ärmel die Tränen von den Wangen.
    »Natürlich kannte er
mich. Deshalb wich er auch einem Gespräch nicht aus. Doch auf meine inständige
Bitte, die Finger von meiner Tochter zu lassen, lachte er mich nur aus. Maike
wäre ein tolles Objekt – er nannte sie wirklich ›Objekt‹ – zum Üben. Aber
irgendwann würde er in seine Heimat zurückkehren, um in die Fußstapfen seines
Vaters und seiner Brüder zu treten. Ich fragte ihn, wie er sich Maikes Zukunft
und die des Babys vorstellen würde.«
    Hauffe unterbrach
seine Ausführungen und starrte minutenlang auf die Wand, bevor er stockend
fortfuhr: »Wissen Sie, was Fouad geantwortet hat? ›Das ist doch nicht mein
Problem.‹ Der sagte mir ins Gesicht, das Kind würde sicher gut durch die
Großeltern versorgt werden. Ich fragte nach seiner Verantwortung als Vater. Da
hat er mich ausgelacht. ›Ich habe genug Pflichten für meine Familie‹,
hat er gesagt. Wenn Maike nicht aufgepasst habe beim Sex, dann müsse sie auch
die Konsequenzen tragen.« Hauffe unterbrach seine Ausführungen und trank einen
Schluck. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, bevor er sein Geständnis
fortsetzte. »Wir waren in der Zwischenzeit mit meinem Auto gefahren.
Irgendwohin. Ziellos. Ich konnte nicht sagen, warum wir plötzlich am Bahndamm
in St. Annen standen. Ich wollte umdrehen. Mein Herz schlug rasend, und ich
bebte vor Zorn. Fouad hatte Maike nur als Lustobjekt betrachtet. Er wollte
nichts davon hören, dass Maike von Liebe sprach. ›Du spinnst doch‹, hat er mir
ins Gesicht gesagt. ›Liebe! Das ist doch dummes Gefasel.‹ Ich wollte nichts
mehr von ihm wissen. ›Raus!‹, habe ich ihn angebrüllt. Aber er hat nur gelacht.
›Sag mal, Alter, glaubst du, ich lauf zu Fuß zurück?‹ Ich bin aus dem Wagen
gestiegen und habe versucht, ihn aus dem Auto zu zerren. Er hat sich heftig
gewehrt. Dann kam es zu einem Handgemenge.« Hauffe fasste sich mit den
Fingerspitzen beider Hände an die Schläfen und massierte sie vorsichtig. »Ich
kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern, aber plötzlich lag er benommen
vor mir. Weil ich Angst hatte, er würde mich erneut angreifen, habe ich ihm die
Hände mit Draht gefesselt, den ich im Kofferraum hatte. ›Du bist genauso ein
Schwein wie deine Tochter‹, höhnte er. Als er mich anspuckte und ›Scheißnigger‹
sagte, ist bei mir eine Sicherung geplatzt.« Erneut begann Hauffe mit seinen
Fingern auf der Tischplatte zu trommeln.
    »Dann haben Sie
Fouad gepackt und kaltblütig an die Schienen gefesselt«, sagte Große Jäger.
    Verzweifelt
schüttelte Hauffe den Kopf. »Nein! Das war ich nicht. Ich bin wieder fort von
der Stelle. Ich habe keine Erinnerung, dass ich das war.« Er sah Christoph aus
glasigen Augen an. »Ich müsste das doch wissen. So etwas mach ich doch nicht.
Verstehen Sie das?« Er hatte seine Hand auf Christophs Unterarm gelegt und
rüttelte daran. »Ich habe es nicht getan. Ich nicht!«
    Wieder war der
abwesende Ausdruck in Hauffes Gesicht getreten. Er starrte ins Nirgendwo, als
würden dort nur für ihn erkennbare Bilder ablaufen.
    Für Christoph war es
erwiesen, dass eine tief gestörte Persönlichkeit vor ihm saß. »Ich glaube, Sie
brauchen dringend einen Arzt«, sagte er, aber der Lehrer hörte ihn nicht.
    Nach einer ganzen
Weile fuhr Hauffe zusammen, als hätte ihn jemand geweckt. »Ich wollte nur
verhindern, dass meiner Tochter ein ähnliches Schicksal widerfährt wie ihr da.«
Hauffe zeigte auf seine
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