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Titan 6

Titan 6

Titel: Titan 6
Autoren: Heyne SF Classics
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ausgestreckt durch die Luft wie ein Speer und landete auf dem Schnabel. Mein langsames Dahinstapfen schien ihn zu verblüffen, doch nach einigen Augenblicken paßte er sich meinem Tempo an – nur alle paar Minuten legte er einen von diesen Sprüngen ein und bohrte sich ein gutes Stück vor mir mit der Nase in den Sand. Dann kam er mit einem Satz zurück – anfangs machte es mich nervös, wenn er mit seinem langen Schnabel wie eine Lanze auf mich zugeschossen kam, aber er traf immer zielsicher den Sand neben mir.
    Auf diese Art arbeiteten wir uns quer durch das Mare Chronium. Die Gegend sieht dort so wie hier aus – die gleichen komischen Pflanzen, die gleichen kleinen, grünen Biopoden, die aus dem Sand wachsen oder einem aus dem Weg kriechen. Wir redeten miteinander – nicht, daß wir ein Wort verstanden hätten, aber einfach so zur Kurzweil. Ich sang ein paar Lieder, und vermutlich gab auch Tweel etwas Ähnliches zum Besten; ein Teil seines Gezwitschers und Getrillers schien jedenfalls eine Art Rhythmus zu besitzen.
    Zur Abwechslung führte Tweel auch seinen englischen Wortschatz vor. Er zeigte dann auf einen Felsen und sagte ›Stein‹, zeigte auf Geröll und sagte es wieder; oder er berührte mich am Arm und sagte ein paarmal ›Tick‹. Es schien ihn sehr zu erheitern, daß dasselbe Wort zweimal hintereinander die gleiche Bedeutung haben konnte, oder daß zwei verschiedene Gegenstände mit demselben Wort bezeichnet werden konnten. Das brachte mich auf den Gedanken, daß seine Sprache vielleicht der von einigen primitiven Völkern auf der Erde ähnlich war – wie bei den Negritos zum Beispiel, die keine Gattungsbegriffe kennen. Sie haben keine Wörter für Essen oder Wasser oder Mensch, nur Ausdrücke für gutes Essen und schlechtes Essen, oder für Regenwasser und Meerwasser, für einen starken Mann und einen schwachen. Sie sind einfach zu primitiv, um zu erkennen, daß Regenwasser und Meerwasser nur zwei verschiedene Aspekte der gleichen Sache sind. Das war jedoch bei Tweel nicht der Fall; ich hatte vielmehr den Eindruck, daß wir auf geheimnisvolle Weise anders waren – daß unsere Denkweise einander fremd war. Trotzdem – trotzdem mochten wir uns!«
    »Verrückt!« bemerkte Harrison. »Beide verrückt. Deshalb habt ihr euch so gut vertragen.«
    »Schön, ich mag Sie aber auch«, erwiderte Jarvis boshaft. »Jedenfalls«, fuhr er fort, »solltet ihr euch die Idee aus dem Kopf schlagen, daß Tweel nicht ganz bei Verstand war. Tatsächlich bin ich nicht so sicher, ob unsere vielgepriesene menschliche Intelligenz der seinen nicht in der einen oder anderen Weise unterlegen ist. Naja, vermutlich war er nicht gerade eine intellektuelle Leuchte – aber vergeßt nicht, daß er es fertigbrachte, einige meiner Gedankengänge zu verstehen, während ich von seinen nicht einen Schimmer mitbekam.«
    »Weil er keine hatte!« meinte der Kapitän sarkastisch wie immer, während Putz und Leroy gebannt zuhörten.
    »Lassen Sie mich zu Ende erzählen, dann werden Sie Ihre Meinung vielleicht noch ändern«, sagte Jarvis. »Nun, wir zogen also durch das Mare Chronium, den ganzen Tag lang und auch noch den nächsten. Das Meer der Zeit! Gegen Ende dieses Marsches kam mir Schiaparellis Namensgebung so zutreffend wie noch nie vor. Nichts als diese graue, endlose Ebene mit ihren sonderbaren Pflanzen, sonst keinerlei Spur von Leben. Es war so eintönig, daß ich fast froh war, am Abend des zweiten Tages die Wüste Xanthus vor uns zu sehen.
    Ich war ziemlich erschöpft, doch Tweel schien frisch wie eh und je zu sein, obwohl er anscheinend nichts gegessen oder getrunken hatte. Ich glaube, er hätte das Mare Chronium in ein paar Stunden durchqueren können, mit seinen Riesensprüngen, doch er blieb bei mir. Ich bot ihm ein paarmal Wasser an; er nahm den Becher und saugte die Flüssigkeit mit seinem Schnabel auf, sprühte dann sorgfältig alles wieder hinein und reichte mir den Becher feierlich zurück.
    Gerade als Xanthus in Sicht kam, oder vielmehr seine Randklippen, kam einer dieser elenden Sandstürme auf. Nicht so schlimm wie der, den wir hier hatten, aber ziemlich gemein, wenn man darin unterwegs war. Ich zog die durchsichtige Kopfhülle meines Thermo-Schlafsacks übers Gesicht und schlug mich so ganz gut durch. Tweel half sich, wie ich bemerkte, mit einer Art Federbüscheln, die wie ein Schnurrbart an seinem Schnabelansatz wuchsen und seine Atemöffnungen schützten. Auch über den Augen hatte er ähnliche Federn.«
    »Er ist
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