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Tierarzt

Tierarzt

Titel: Tierarzt
Autoren: James Herriot
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würden.
    In ganz England, wahrscheinlich in der ganzen Welt, erzielten Tierärzte damals jene sensationellen Resultate, machten die gleiche Erfahrung wie ich selbst: manche machten sie mit Kühen, andere mit Hunden oder Katzen, mit teuren Rennpferden, Schafen oder Schweinen. Ich machte sie in jenem alten, umgewandelten Eisenbahnwagen mitten zwischen verrostetem Plunder auf dem Anwesen von Willie Clark.
    Natürlich hielten die Erfolge nicht in dem Maße an. Was ich bei Willie Clarks Kälbern erlebt hatte, war die Wirkung von etwas völlig Neuem auf einen gänzlich unvorbereiteten Bakterienherd, aber das blieb nicht so. Mit der Zeit entwickelte der tierische Körper eine gewisse Resistenz, und es mußten neue, stärkere Sulfonamide und Antibiotika produziert werden. Und so geht der Kampf weiter. Wir erreichen jetzt gute Resultate, aber noch immer keine Wunder, und ich bin froh, daß ich zu der Generation gehöre, die das Glück hatte, die Anfänge dieses bahnbrechenden Arzneimittels mitzuerleben.
    Die fünf jungen Rinder hatten nie wieder irgendwelche Beschwerden, und bei der Erinnerung an sie überkommt mich noch heute ein warmes Glücksgefühl. Willie war begreiflicherweise außer sich vor Freude, doch auch Jeff Mallock zollte der glücklichen Wendung der Ereignisse Beifall. Er tat es auf seine Weise. Als er abfuhr, rief er uns zu:
    »Scheint wirklich was dran zu sein an diesen kleinen blauen Tabletten. Bis heute habe ich noch nichts gesehen, was gegen Lungenstauung hilft.«

Kapitel 28
     
    Der Zuschnitt unserer Praxis in Darrowby war für mich im Grunde ideal. Der unschätzbare Vorteil an der Sache war, daß ich, obwohl in erster Linie Großtierarzt, eine Leidenschaft für Hunde und Katzen hatte, und wenn ich auch die meiste Zeit im weiten Bergland von Yorkshire verbrachte, so gab es doch immer den fesselnden Hintergrund der kleinen Haustiere als Kontrast. Manchmal hatte ich täglich welche zu behandeln, und es war eine Arbeit, die ich von Herzen genoß. Bei einer sehr lebhaften Kleintierpraxis gerät man vermutlich leicht in Versuchung, die ganze Sache als eine riesige Wurstmaschine zu betrachten, als eine endlose Prozession von kleinen, mehr oder minder stark behaarten Geschöpfen, denen man mit irgendwelchen subkutanen Spritzen wieder auf die Beine helfen mußte. Doch in Darrowby lernten wir sie alle als individuelle Wesen kennen.
    Wenn ich durch die Stadt fuhr, begegnete ich ständig ehemaligen Patienten: beispielsweise Rover Johnson, der, von seinem Ohrenkrebs genesen, mit seiner Herrin aus der Eisenwarenhandlung kam; Patch Walker, sein gebrochenes Bein war wundervoll verheilt, und er hockte stolz hoch oben auf dem Kohlenwagen seines Besitzers; oder Spot Briggs, ein kleiner Streuner, der sich bei einem seiner Streifzüge am Stacheldraht verletzt hatte und jetzt auf der Suche nach neuen Abenteuern allein über den Marktplatz strolchte. Es machte mir Spaß, mir ihre Leiden ins Gedächtnis zurückzurufen und über ihre charakteristischen Merkmale nachzudenken. Denn jedes Tier hatte seine eigene Persönlichkeit, die sich auf die verschiedenste Weise offenbarte.
    So etwa, wie sie auf mich reagierten, wenn ich sie behandelte. Die meisten Hunde und Katzen schienen nicht den geringsten Groll gegen mich zu hegen, obwohl ich für gewöhnlich irgend etwas tun mußte, was ihnen unangenehm war.
    Aber es gab auch andere, und zu ihnen gehörte Magnus, der Zwergdackel aus den ›Drovers’ Arms‹.
    An ihn dachte ich, als ich jetzt leise mein Bier bestellte.
    Der Barkellner grinste. »Sofort, Mr. Herriot.« Er drückte den Hebel herunter, und das Bier floß fast lautlos zischend ins Glas; als er es mir hinschob, stand der Schaum hoch und fest über dem Rand.
    »Sieht gut aus heute, das Bier«, hauchte ich fast unhörbar.
    »Gut? Ein Gedicht!« Danny blickte liebevoll auf das schäumende Glas. »Tut mir fast leid, es auszuschenken.«
    Ich lachte. »Das ist aber nett, daß Sie einen Tropfen für mich übrig haben.« Ich nahm einen großen Schluck und wandte mich dem alten Mr. Fairburn zu, der wie immer mit seinem eigenen, buntbemalten Glas in der Hand am unteren Ende der Theke saß.
    »Ein herrlicher Tag heute, finden Sie nicht?« murmelte ich sotto voce.
    Der alte Mann legte die Hand hinters Ohr. »Was sagen Sie?«
    »Ein schöner, warmer Tag.« Meine Stimme war wie eine sanfte Brise, die leise seufzend über das Moor weht.
    Eine schwere Hand legte sich auf meine Schulter. »Was ist denn mit Ihnen los, Jim? Leiden Sie an
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