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Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Titel: Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Autoren: John Grisham
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auszuweichen. Er schoss über die Main Street, winkte dem Polizisten an der Kreuzung zu und stellte sich taub, als der ihm »Langsam, Theo!« nachrief. Er nahm die Abkürzung über einen kleinen Friedhof und bog in die Park Street ein.
    Seine Eltern waren seit fünfundzwanzig Jahren verheiratet und arbeiteten seit zwanzig Jahren als Partner der kleinen Kanzlei Boone & Boone in der 415 Park Street im Herzen des alten Strattenburg zusammen. Früher hatte es noch einen dritten Partner gegeben, Ike Boone, Theos Onkel, aber der hatte sich auf eine zwielichtige Affäre eingelassen und war deswegen aus der Kanzlei ausgeschieden. Jetzt hatte die Kanzlei nur noch zwei gleichberechtigte Partner: Marcella Boone, die im Erdgeschoss in einem eleganten modernen Büro residierte und in erster Linie als Scheidungsanwältin tätig war, und Woods Boone, der im ersten Stock ganz allein in einem großen, vollgestopften Raum saß, in dem sich die Regale unter ihrer Last bogen und Aktenstapel den Boden bedeckten, während eine allgegenwärtige Wolke duftenden Pfeifenrauchs unter der Decke schwebte. Unterstützt wurden die beiden von Elsa– die für das Telefon zuständig war, die Kunden begrüßte, die Büroarbeit erledigte, gelegentlich Schreibarbeiten übernahm und den Hund Judge im Auge behielt–, Dorothy, einer auf Immobilien spezialisierten Sekretärin, die für Mr. Boone Aufgaben erfüllte, die Theo unerträglich langweilig erschienen, und Vince, dem Anwaltsassistenten, der für Mrs . Boone s Fälle zuständig war.
    Der Mischling Judge, der Theo, der Familie und der ganzen Kanzlei gehörte, verbrachte seine Tage im Büro. Manchmal schlich er unauffällig von einem Raum zum anderen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Gern folgte er einem menschlichen Wesen in die Küche, wo Essbares zu erwarten war. Die meiste Zeit verschlief er jedoch in einem kleinen eckigen Körbchen am Empfang, wo sich Elsa mit ihm unterhielt, während sie tippte.
    Und dann gehörte natürlich noch Theo dazu, der sehr zufrieden damit war, der vermutlich einzige Dreizehnjährige in Strattenburg mit eigenem Büro in einer Kanzlei zu sein. Natürlich war er zu jung, um als Anwalt zu arbeiten, aber manchmal war er sehr nützlich. Er holte Akten für Dorothy und Vince. Er suchte in langen Dokumenten nach Schlüsselwörtern oder -sätzen. Er nutzte seine hervorragenden Computerkenntnisse, um Rechtsfragen und Fakten zu recherchieren. Bei Weitem am liebsten war ihm jedoch, wenn er zum Gericht laufen durfte, um für die Kanzlei Schriftsätze einzureichen. Theo liebte das Gericht und träumte von dem Tag, an dem er in dem großen prächtigen Gerichtssaal im ersten Stock seine Mandanten verteidigen würde.
    Punkt 15.40 Uhr stellte Theo sein Fahrrad auf der schmalen Veranda vor Boone & Boone ab und wappnete sich innerlich. Elsa begrüßte ihn jeden Tag mit einer kräftigen Umarmung und einem schmerzhaften Kniff in die Wange, gefolgt von einer raschen Inspektion seiner Kleidung. Er öffnete die Tür, trat ein und ließ die Begrüßung über sich ergehen. Wie immer wartete auch Judge auf ihn, der aus seinem Körbchen sprang und zu Theo lief.
    »Das mit April tut mir wirklich furchtbar leid«, sprudelte es aus Elsa heraus. Es klang, als hätte sie das Mädchen persönlich gekannt, was aber nicht der Fall war. Mittlerweile schien ganz Strattenburg mit April befreundet gewesen zu sein. Niemand verlor ein schlechtes Wort über sie. Wie das eben so war, wenn etwas wirklich Schlimmes passierte.
    »Gibt’s was Neues?«, fragte Theo, während er Judge am Kopf kraulte.
    »Nichts. Ich habe den ganzen Tag Radio gehört, aber es gibt keine Nachricht, keine Spur von ihr. Wie war’s in der Schule?«
    »Furchtbar. Wir haben nur von April geredet.«
    »Das arme Mädchen.« Elsa inspizierte sein Hemd und begutachtete seine Hose, wie jeden Tag. Einen Augenblick lang war Theo beunruhigt. Bemerkungen wie »Findest du, das Hemd passt zu dieser Hose?« oder »Hattest du das Hemd nicht schon vor zwei Tagen an?« waren an der Tagesordnung. Das ärgerte Theo maßlos. Er hatte sich bei seinen Eltern darüber beschwert, aber vergeblich. Elsa gehörte praktisch zur Familie, war wie eine zweite Mutter für Theo, und wenn sie ihn ermahnte, dann nur, weil er ihr wichtig war.
    Es hieß, Elsa würde ihr gesamtes Geld für Kleidung ausgeben, und so sah sie zumindest auch aus. Offenbar war sie jedoch mit seinem heutigen Aufzug zufrieden. Bevor sie sich dazu äußern konnte, wechselte Theo das
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