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Teufelsfrucht

Teufelsfrucht

Titel: Teufelsfrucht
Autoren: Tom Hillenbrand
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üblichen Begrüßungsfloskeln sagte Städeli: »Meine Herren, ich komme gleich zur Sache. Die Wyss-Affäre beschert uns unerfreuliche Schlagzeilen in ganz Europa. Wir haben Dr. Wyss bereits freigesetzt, uns ausdrücklich von ihm distanziert und mit den internen Aufräumarbeiten begonnen. Es stellt sich aber die Frage, wie wir mit Projekt Superspice weiter verfahren. Dr. Witterling, wie ist der Sachstand?«
    Der Vorstandschef stand auf und nickte Städeli kurz zu. Er wirkte abgekämpft, sein sonst stets makellos sitzendes Maßsakko war zerknittert. Witterling ging zum Kopfende des Tisches und zeigte auf einige zahlenlastige Diagramme, die in diesem Moment an der Wand hinter ihm erschienen. »Projekt Superspice befindet sich in der finalen Pre-Market-Phase. Wir haben Chatwa-Anbaugebiete in Spanien, Frankreich und China erschlossen, mit einer Produktionskapazität von 12 000 Tonnen im Jahr. Außerdem halten wir Lagerbestände für weitere sechs Monate vor. Über 20 Produkte für den Massenmarkt sind in der Pipeline.« Witterling wischte sich mit einem Stofftaschentuch den Schweiß von der Stirn. »Wir sind, zusammenfassend gesagt, ganz kurz davor, den Startschuss zu geben.«
    »Können wir den Start nicht zunächst einmal verschieben, auf unbestimmte Zeit?«, fragte einer der Verwaltungsräte. »Das löst unser Problem nicht«, entgegnete Städeli barsch. »Die Frage lautet, ob wir es durchziehen oder nicht. Wenn die Presse von der Sache Wind bekommt, ist die Frage, ob wir mit den Catvanum-Produkten bereits auf dem Markt sind oder dies nur planen, völlig irrelevant – die werden uns dann so oder so schlachten. Der Schaden für das Unternehmen wäre kaum zu beziffern. Die Alternative ist, dass wir das Projekt komplett beerdigen, die Lagerbestände vernichten und alle Produktionsanlagen dichtmachen.« Städeli wandte sich dem Vorstandschef zu. »Was kostet es uns, wenn wir terminieren, Dr. Witterling?«
    Witterling schaute unglücklich. »Alles in allem würde ich die sunk costs auf etwa fünf Milliarden Franken beziffern.« Ein Raunen ging durch den Raum.
    »Das kann uns das Genick brechen«, wandte Reitler ein, der Investor-Relations-Chef. »Bilanziell lässt es sich verschmerzen, irgendwie. Aber es wird unseren Aktienkurs ins Bodenlose stürzen lassen. Dann sind wir ein takeover target. Dann kommen ganz schnell Tricatel oder American Foods, und wir sind weg vom Fenster.«
    Städeli blickte nun noch grimmiger drein als zu Beginn der Sitzung. »Fünf Milliarden Franken! Vielleicht müssen wir einfach darauf hoffen, dass sich die öffentliche Erregung legt und die Sache versandet. Wo ist denn der Herr Berninger? Einen Kommunikationschef könnten wir jetzt ganz gut gebrauchen. Wo steckt der Mann?«
    »Herr Berninger scannt gerade die neuesten Presseclippings, um Ihnen den aktuellsten Sachstand referieren zu können«, erwiderte Witterling. »Ah, da ist er ja schon.« Ein Mittdreißiger mit modisch kurzem Vollbart und strubbeligen Haaren betrat in diesem Moment den Konferenzraum.
    »Herr Berninger«, sagte Verwaltungsratschef Städeli, »wir diskutieren gerade die Frage, ob man Superspicenicht einfach weiterlaufen lassen könnte wie geplant – in der Hoffnung, dass niemand die Geschichte en détail thematisiert und das Catvanum gar nicht in die Medien gerät. Wie lautet Ihre Einschätzung? Kommen wir damit durch?«
    Berninger verzog das Gesicht. »Meine Herren, ich befürchte, es gibt in der Sache eine gänzlich neue, unerwartete Entwicklung. Das hier habe ich soeben erhalten«, erklärte der Pressechef und hielt eine DVD hoch. »Aber sehen Sie selbst.« Berninger schob die Disc in einen bereitstehenden Videorekorder, woraufhin auf der Leinwand die Gestalt eines Kochs erschien, der mit weit ausladenden Gesten in einer Showküche herumhantierte. Der Mann trug eine dunkelblaue Küchenjacke mit großen Goldknöpfen und glitzernden Epauletten. Er sah aus wie der Diktator einer südamerikanischen Bananenrepublik, der sich in eine Küche verirrt hatte. Der Koch war gerade dabei, mit der linken Hand Jakobsmuscheln in eine Pfanne zu setzen, während er gleichzeitig mit der rechten in einem kupfernen Soßentopf rührte. Dabei redete er ununterbrochen.
    »Wer ist der Typ?«, knurrte Städeli, der sich nichts aus Essen machte. »Das ist Leonardo Esteban von Ritterdorf«, antwortete der Kommunikationschef. »Der berühmteste Fernsehkoch Europas. Er hat unter anderem Sendungen in Deutschland, Italien, England und Frankreich. Was Sie
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