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Test: Phantastische Erzahlungen

Test: Phantastische Erzahlungen

Titel: Test: Phantastische Erzahlungen
Autoren: Stanislaw Lem
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Greis. »Wir können Mattrass’ Staatsgründung anerkennen oder nicht! Erkennen wir an, daß ein souveräner Staat entstanden ist, dann werden unsere Ansprüche hinfällig. Erkennen wir das nicht an, dann müssen wir uns darüber einigen, ob wir es wenigstens mit einer juristischen Person zu tun haben oder nicht. Wenn nicht, wenn wir keine juristische Person vor uns haben, dann existiert das ganze Problem nur für die Angestellten des kosmischen Reinigungsbetriebes, dann gibt es im Nebelf eck des Krab nur einen Haufen Schrott – und unsere Versammlung hat überhaupt nicht darüber zu beraten! Betrachten wir das Gebilde dagegen als juristische Person, dann ergibt sich eine andere Frage. Das kosmische Recht sieht die Möglichkeit einer Verhaf ung vor, die Festnahme einer juristischen und physischen Person auf einem Planeten oder an Bord eines Schif es. An Bord eines Schif es bef ndet sich der sogenannte Mattrass nicht, eher schon auf einem Planeten. Wir müssen uns um seine Extradiktion bemühen – aber wir haben niemanden, an den wir uns wenden könnten. Außerdem ist der Planet, auf dem er verweilt, er selber. So gesehen, stehen wir vor einem Nichts, denn wir müssen die Angelegenheit von dem einzigen Standpunkt aus betrachten, der für uns bindend ist, das heißt vom Standpunkt Seiner Majestät des Rechts. Mit dem juristischen Nichts pf egt sich aber niemand zu befassen, weder die Strafrechtler noch die Verwaltungsrechtler, weder die Völkerrechtler noch die Verfasser irgendwelcher Vorschrif en zur Gewährleistung der öf entlichen Ordnung. Die Ausführungen des ehrenwerten Professors Pingerling können das Problem nicht lösen, weil es das Problem gar nicht gibt!«
      Der Greis nahm Platz. Er hatte das Hohe Haus mit seiner Schlußfolgerung sichtlich schockiert.
      Sechs Stunden lang ging es so weiter. Ich hörte mir noch an die zwanzig Redner an. Sie alle sprachen logisch exakt und bemühten sich, das eine oder das andere zu beweisen – daß Mattrass existiere, daß er nicht existiere, daß er einen Roboterstaat gegründet habe oder vielmehr einen Organismus, der sich aus Robotern zusammensetze, daß Mattrass auf den Schrotthaufen gehöre, weil er gegen eine Reihe von Gesetzen verstoßen habe, aber auch, daß man ihn keiner Rechtsverletzung bezichtigen könne. Der Anwalt Wurpel wollte möglichst alle zufriedenstellen, indem er erklärte, Mattrass sei ein Planet und gleichzeitig ein Roboter, im Grunde genommen sei er allerdings gar nichts. Diese T eorie rief eine allgemeine Wut hervor und fand außer ihrem Schöpfer keinen Anhänger. Aber das waren noch Lappalien, verglichen mit dem weiteren Verlauf der Beratungen. Oberassistent Milger versuchte nachzuweisen, Mattrass habe durch die Verwandlung in Roboter seine Persönlichkeit vervielfältigt und bestehe nun in dreihunderttausend Exemplaren. Dieses Kollektiv verkörpere jedoch nicht verschiedene Individuen, sondern nur ein und dieselbe Person. Mattrass existiere also in dreihunderttausendfacher Gestalt.
      Das bewog den Richter Wubblehorn zu der Behauptung, man habe die Problematik von Anfang an falsch gesehen. Die Tatsache, daß Mattrass ein Mensch gewesen sei und sich in Roboter verwandelt habe, beweise eindeutig, daß diese Roboter nicht mehr als Mattrass anzusehen seien. Man müsse also untersuchen, mit wem oder was man es zu tun habe. »Da sie keine Menschen sind, sind sie niemand. Es gibt also kein juristisches Problem, aber auch kein physisches, das heißt, im Nebelf eck des Krab existiert nichts!«
      Die Debatte wurde immer leidenschaf licher, es f el mir immer schwerer, den Ausführungen zu folgen, die Ordner und die Sanitäter hatten alle Hände voll zu tun. Plötzlich wurden Rufe laut. Es befänden sich als Juristen verkleidete Elektronengehirne im Saal, die unverzüglich entfernt werden müßten, denn ihre Parteinahme unterliege keinem Zweifel – ganz zu schweigen davon, daß sie kein Recht besäßen, an den Beratungen teilzunehmen. Der Vorsitzende, Professor Hurtledrops, begann mit einem kleinen Kompaß in der Hand im Saal umherzugehen, und jedesmal, wenn die Nadel zu zittern begann und auf einen der Sitzenden wies, angezogen von dem Blech unter der Kleidung, wurde das betref ende Individuum auf der Stelle vor die Tür gesetzt. Auf diese Weise leerte sich der Saal bis zur Hälf e, während die Dozenten Fitts, Pitts und Clabenty ihre Reden schwangen, wobei man den letzteren mitten im Wort unterbrach, denn der Kompaß hatte seine
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