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Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Teppichporsche: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Sonja Ullrich
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Das Wandpapier war grau und uneben geworden. Ränder rollten sich auf wie die Fußnägel meines Vaters und ein feiner Staub aus Rigips und Kleister sammelte sich in den Treppenfugen. Meine Nasenflügel begannen schon langsam zu schrumpeln. Im oberen Stockwerk hatte sich der Teppich im Flur bereits abgelöst und es waren nur noch ein paar Klebefetzen auf dem Estrich geblieben. Die Pfeiffer führte mich geradeaus in einen Raum, in dem sich die Parkettfliesen bereits an den Rändern aufwickelten. Es roch nach morschem Wald.
    »Moment mal. Wo ist die Matratze?«, fragte ich sie.
    »Die habe ich in Reparatur gegeben.«
    Das Skelett des Bettes stand wie ein Mahnmal im Raum. Wie ein für eine Doppelbelegung gebuchter offener Sarg. Auf ihm aufgetragen war ein dunkelbrauner hoch polierter Lack im Stil der Opel-Senator-Serie aus den 80ern. Das Gerüst wog meiner Einschätzung nach mindestens 40 Kilo. Enttäuscht setzte ich mich auf den Rahmen, was der Pfeiffer überhaupt nicht in den Kram passte.
    »So. War es das dann?«, wollte sie wissen und klatschte voller Tatendrang in die Hände. Sie war ungeduldig. Dabei war ich keine fünf Minuten im Haus.
    »Kommen Sie, ich habe noch einen Termin.« Feierlich zappelte sie mit ihren speckigen Armen und animierte mich mit einem genervten Ausdruck auf die Füße.
    Ich machte Radiergummigeräusche und rubbelte mit den Turnschuhen auf dem Parkettboden herum. Gegen die Profilsohlen schubberten die abstehenden Ränder wie winzige Schottersteinchen. Ich sah nach unten und schließlich ganz schnell wieder hoch. Ich traute meinen Augen nicht und warf einen zweiten Blick auf die Parkettfugen, aus denen ich die vermeintlichen Reste von rotbraunem, krümeligem Blut ans Tageslicht befördert hatte.
    Heiliger Strohsack.
    Mit Blut kannte ich mich aus. In meiner Kindheit war es ein beherrschendes Thema, wenn sich meine Mutter mal wieder in den Finger schnitt oder sich die Hand einnähte. Als Kleinkind versuchte mich mein Vater damit zu beruhigen, dass Mutti wie eine Amphibie sei und ihr alle Gliedmaßen nachwachsen würden. Damals wusste ich noch nicht, was eine Amphibie war, doch als der weiterführende Biounterricht kam und ich ihm die Geschichte nicht mehr abkaufte, war es mittlerweile egal geworden, weil ich mich längst an die zahlreichen Platz- und Schnittwunden gewöhnt hatte. Sie waren berechenbar wie das Rührei am Sonntag und ich wusste genau, wann ich es mit Blut zu tun hatte und wann nicht.
    Und hier hatte ich es definitiv mit Blut zu tun.
     
    Fügsam ließ ich mich von der Pfeiffer aus dem Haus schieben und mein Körper durchschnitt die bleierne Schwüle im Windfang. In meinem Kopf gärte es, denn hier war definitiv etwas im Argen. Ich dachte an den Kläffer. Wenn er Tollwut hatte und wie Yello, der ruhmreiche Disney-Retriever, noch vor Ort mit der Schrotflinte in die ewigen Jagdgründe hätte geschickt werden müssen, wüsste die Versicherung davon. Und für einen Hundemord aus Rachsucht kam mir die Pfeiffer zu unversehrt vor, denn hätte irgendeine Bekannte meinen Hund niedergestreckt, hätte ich ihr schon zumindest eins auf die Nuss gegeben.
    Oder sie angezeigt.
    Ich sog einen tiefen Atemzug durch die Nase. Vielleicht konnte die Sache doch noch interessant werden. Zwar würde ein toter Hund mich nicht unbedingt in die Top Ten der berüchtigtsten Mordermittler bringen, aber jeder Superheld hatte mal klein angefangen; selbst Wonder Woman ist aus einem Haufen Dreck gewachsen. Ich bastelte mir eine Strategie zusammen, stieg in den Twingo, haute den ersten Gang rein und fuhr auf dem direkten Wege zurück zum Büro.

2.
    »Na endlich!« Metin hüpfte auf seine Füße, als ich die Detektei betrat. »Wo ist dein Bollerwagen?«
    »Ich habe jetzt keinen Bock auf deine Schikanen.« Ich strafte ihn mit einem bösen Blick und blies mir den blonden Pony aus der Stirn. »Wo ist Corinna?«
    »Mittagspause.«
    Ich sah auf die Uhr. Es war kurz nach vier. Metin stapfte zu seinem Schreibtisch, klemmte sich den Telefonhörer zwischen die Finger und wählte. Die auf Türkisch geführte Konversation dauerte nicht länger als eine Minute.
    »Ein Kollege kommt gleich vorbei. Gib mir die Autoschlüssel.« In voller Erwartung hielt er mir seine Hand entgegen.
    »Nein.«
    »Komm schon. Ich werd auch nichts kaputt machen.«
    »Du nicht, aber dein Kollege.«
    »Vertraust du mir nicht?«
    »Nein.«
    »Drauf geschissen.« Metin spuckte symbolisch auf den Fußboden und bugsierte seinen Melonenhintern in den Sessel
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