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Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)

Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)

Titel: Tate Archer – Im Visier des Feindes: Band 1 (German Edition)
Autoren: Walter Jury , S.E. Fine
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nicht!
    Ich tu’s doch.
    Als hätte sie ihren eigenen Willen, löst meine Hand den unnützen Griff um den Ärmel meines Gegners. Meine Handfläche schwebt eine gefühlte Million Jahre lang über der Matte, doch eigentlich ist es nur eine halbe Sekunde. Der Raum zwischen hier und dort. Der Abstand zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Sieg und Niederlage.
    Und dann fällt sie. Klatscht auf die Matte. Kuhauge erlöst mich. Der Schmerz in meinem Bein lässt nach. An allen anderen Stellen setzen die Schmerzen gerade erst ein.
    Es ist vorbei.
    Kuhauge beugt sich über mich. Er streckt die Hand aus. Ich blicke blinzelnd zu ihm auf und sehe das Gesicht meines Vaters. Ich lasse mir von ihm aufhelfen und kann an der Kräuselung seiner Lippen erkennen, wie wenig er von mir hält. In dem Moment kann ich ihm das nicht mal vorwerfen.
    Die Erkenntnis, dass ich verloren habe, dringt in meinen Kopf. Wie ein goldener Strahlenkranz schwirrt sie in den glimmenden Lichtern über mir umher. Sie strömt aus der Matte und nagt an meinen Fußsohlen. Der Schiri hat jetzt mein Handgelenk gepackt, hält es unten, während er das von Kuhauge hochreißt, und ich lasse zu, dass er mich wie einen Zombie herumzerrt, mich einmal in jede Richtung zieht, sodass mein Versagen in allen vier Ecken des Saals verkündet wird. All den gesichtslosen Menschen. Und auch einem Menschen, der gar nicht hier ist.
    Dem ganz besonders.
    Als die Zurschaustellung meiner Schande endlich vorbei ist, laufe ich zur Bank zurück, meinen offen stehenden Gi total durcheinander, meinen Gürtel eng auf der nackten Haut. Ich sehe aus wie das, was ich bin: ein Verlierer. Als ich mich nach meinem iPod bücke, sagt Chicão: » Puta que pariu , Tate. Du warst nicht konzentriert. Du warst weit offen.«
    Ich mache den Mund auf, um zu diskutieren, doch alles, was rauskommt, ist: » Me perdoe . Sorry. Tut mir leid.«
    Er schüttelt den Kopf und nimmt den Schlüssel aus der Hosentasche. »Schnapp dir deine Sachen. Ich hol das Auto.«
    »Nein«, sage ich. »Ich bin noch nicht fertig.« Kuhauge ist drüben in der Ecke und redet zufrieden lächelnd mit seinem Coach. »Ich muss mir das Finale ansehen. Ich muss rauskriegen, was passiert ist.«
    » Cacete «, brummt er. »Du weißt nicht, was passiert ist? Ein Spider Guard Sweep. Leg Lock. Dann war es gelaufen.«
    »Hab ich dir schon mal gesagt, was für ein super Coach du bist?« Ich lache, ohne zu lächeln. »Das ist kein Scherz. Ich bleibe hier und gucke zu. Geh du nach Hause. Ich ruf Christina an, damit sie mich abholt.« Beim bloßen Gedanken an sie geht mir das Herz auf. Ich muss ihr Gesicht sehen. Ihr Lächeln sehen. Sie sagen hören, dass mit mir alles in Ordnung ist. Und das wird sie auch tun. Sie tut das immer. Ich bin zwar nicht sicher, ob es dieses Mal hilft, aber einen Versuch ist es wert.
    Nachdem er mich ein paar Sekunden lang angestarrt hat, frage ich mich, ob er denkt, dass ich abhauen und durchdrehen werde. Mein Dad hat uns schließlich beiden klargemacht, wie wichtig dieses Turnier ist, also wer weiß? Vielleicht hält der arme Chicão mich für selbstmordgefährdet. Und verdammt, vielleicht bin ich das ja. In diesem Augenblick weiß ich es selbst nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass ich innerlich nur noch aus einer beschissenen Riesenprellung bestehe. So kann ich meinem Vater auf keinen Fall gegenübertreten.
    »Mir geht’s gut«, behaupte ich. »Ich … ich will bloß nicht, dass das noch mal passiert. Das war mein Fehler. Ich war dumm.«
    Er zuckt die Achseln. Über die Wahrheit lässt sich einfach nicht streiten.
    Sobald er weg ist, schalte ich die Musik wieder ein. Ich will nicht hören, wie die Körper der Kämpfenden auf der Matte aufschlagen. Ich will die über den Boden scharrenden Füße nicht hören, nicht die widerhallenden Schreie und den Beifall der Menge und erst recht nicht den pochenden Puls meiner Niederlage. Ich drehe die Musik so laut auf, dass ich sicherlich ein paar Hirnzellen abtöte, was genau meiner Absicht entspricht. Ich will meine Erinnerung an das, was passiert ist, zum Schmelzen bringen und aus meinen Ohren heraussickern lassen.
    Ich sehe mir die Halbfinalbegegnungen der nächsten drei Gewichtsklassen an. Ich sehe mir die Kämpfe der Männer um den schwarzen Gürtel an. Ich sehe mir an, wie Kuhauge sein Finale auf dieselbe Art gewinnt, wie er das Match gegen mich gewonnen hat. Er begibt sich schnell und entschieden in diesen Spider Guard, blockiert die Arme seines Gegners und bringt
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