Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz der Kakerlaken

Tanz der Kakerlaken

Titel: Tanz der Kakerlaken
Autoren: Donald Harrington
Vom Netzwerk:
Prä-Imago-Knackerlaken seines Alters, gelang es ihm nicht, einen besten Freund zu finden. So beschränkte sich die Aufnahme in die Jugendkultur seiner Altersgenossen darauf, daß er ein paar schmutzige Witze hörte und ein bißchen Klatsch über verschiedene Mädchen; außerdem lernte er, was die Jungen »sich einen runterholen« nannten, ein komplizierter Akt, der in der Manipulation des eigenen Tallywhackers mit einem hinteren Krabbler bestand.
    Wenn er »sich einen runterholte«, als Ersatz für den Paarungsakt mit einem weiblichen Wesen, spritzte eine Spermatophore mit einem hohen Maß an physischem und emotionalem Genuß aus dem Endophallus hervor. Bei einem Lieblingsspiel der heißblütigen Imago-Jünglinge von Stay More benutzten sie die ejakulierten Spermatophoren als kleine Kugeln innerhalb eines auf dem Boden gezogenen Kreises, um Geschicklichkeitswettbewerbe mit Schnüffelruten auszutragen; die eigene Spermatophore diente als Schußkugel, und Ziel des Spiels war, die Spermatophoren der anderen abzuschießen und gefangenzunehmen. Das Spiel wurde »Murmeln« genannt.
    Als er das Imago-Alter erreichte, gab Sam sich dem Murmelspiel hin, wann immer er eine Gruppe finden konnte, die es spielte, und manchmal spielte er es auch allein, mit sich selbst, brachte Murmel auf Murmel hervor und verachtete jene Chrusten, die behaupteten, das Spiel sei sündhaft und böse und könne dazu führen, daß man all seine Murmeln verlöre oder taub oder blind würde davon oder daß einem Haare auf den Schnüffelruten wüchsen.
    Als er allmählich sein Gehör verlor, dachte er, er habe doch unrecht und die Chrusten recht gehabt, aber er sah, daß keiner der anderen Murmelspieler taub wurde. Vielleicht spielten die anderen Spieler nie allein, mit sich selbst, wie er es tat. Vielleicht war es wirklich sündhaft, mit sich zu spielen? Das beunruhigte ihn so sehr, daß er aufhörte, das Spiel allein zu spielen, und es schließlich auch nicht mehr mit den anderen spielte. Sein Gehör wurde trotzdem immer schlechter.
    Obwohl er mit niemand darüber sprach, wurde es doch allmählich schwierig, zu verheimlichen, daß er fast taub war. Mehr und mehr blieb er für sich allein in seiner Uhr. Bald schon hatte er keine Freunde mehr unter den Frack- und Sackerlaken. Er war der Uhrlake, und er konnte immerhin noch das Schlagen der Uhr hören. Aber daß er die Frau nicht mehr hören konnte, vermißte er entsetzlich. In all den Monaten seines Heranwachsens hatte er Ihr gelauscht. Sie sprach mit sich selbst. Vieles von dem, was Sie sagte, konnte er nicht verstehen, sich jedoch das meiste zusammenreimen, und Sam glaubte, Sie wahrscheinlich besser zu kennen als jedes andere Geschöpf, mit Sicherheit besser, als der Mann Sie kannte.
    Ab und zu sprach Sie nicht mit sich selbst, sondern mit einem schwarzen harten Plastikapparat, der wie eine Riesenameise geformt war und normalerweise auf dem Rücken eines anderen schwarzen harten Plastikapparats ruhte, der wiederum wie ein übergroßer Käfer aussah. Irgendwie sprach die Stimme einer Person, einer anderen Frau oder, sehr selten, eines Mannes, durch diesen Apparat mit Ihr. Normalerweise sprach Sie durch den Apparat zurück, und Sam konnte, bevor er sein Gehör verloren hatte, der Unterhaltung zuhören.
    Oft aber drehte Sie auch nur eine Scheibe auf dem Käfer und hörte zu, ohne zu sprechen. Bevor sein Gehör ihn im Stich ließ, hatte Sam eine Anzahl dieser Vorträge – oder was es auch war – mit angehört. Da sagte beispielsweise eine Stimme: »Sie haben das Tele-Med-Programm Nummer 147 gewählt: ›Die alleinstehende Frau‹. Aus freien Stücken oder aus Notwendigkeit entscheiden sich viele Frauen dafür, allein zu leben. Dies kann zu medizinischen wie sozialen Problemen führen. Wir möchten mit Ihnen darüber sprechen.«
    Bevor sein Gehör nachließ, hatte ein Teil von Sams Erziehung darin bestanden, diese Tele-Med-Programme mit anzuhören. Mehr als einmal hatte er Nummer 42 gehört: »Ich bin einfach müde, Herr Doktor«; Nummer 693: »Aufhören zu rauchen und trotzdem das Gewicht halten«; Nummer 6: »Brustkrebs«, Nummer 323: »Haben Sie Angst vor dem Zahnarzt?«; Nummer 35: »Alles über Kopfschmerzen«; und Nummer 728: »Wann sollte ich einen Psychiater aufsuchen?« Das letzte Programm, das Sam deutlich hatte hören können, etwa einen Monat bevor sein Gehör versagte, war Nummer 945: »Sie haben sich also in einen Alkoholiker verliebt!«
     
    4.
    Was nun Carlott betrifft, so war es … nun,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher