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Tante Lisbeth (German Edition)

Tante Lisbeth (German Edition)

Titel: Tante Lisbeth (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Großartiges. »Wenn es in diesem Tone weitergehen soll, werden wir niemals zu Ende gelangen. Ich habe Sie nicht hergebeten, damit wir über Dinge reden, die trotz der Verbindung unsrer beiden Familien zu vermeiden sind ...«
    »Ich dachte ...«
    »Nochmals«, fuhr sie fort, »Herr Crevel, erkennen Sie denn nicht aus der freimütigen und offenen Art, mit der ich mich mit Ihnen über Liebe und Liebhaber unterhalte – über die gefährlichsten Themen, die es für Frauen gibt –, erkennen Sie daran nicht, daß ich mich in meiner Ehrbarkeit ganz und gar sicher fühle? Ich fürchte nichts; nicht einmal, um meinen guten Ruf zu kommen, indem ich mich zusammen mit Ihnen einsperre! Benehme ich mich denn wie ein schwaches Weib? Sie wissen doch wohl, warum ich Sie hergebeten habe?«
    »Nein, gnädige Frau«, gab Crevel zur Antwort, indem er ein gleichgültiges Gesicht zog. Er biß sich auf die Lippen und saß steif da. Die Baronin betrachtete ihn.
    »So! Um das für beide Teile peinliche Gespräch abzukürzen, will ich mich kurz fassen.«
    Crevel machte eine ironische Verbeugung, an der ein Fachmann das verbindliche Getue des ehemaligen Commis voyageur wiedererkannt hätte.
    »Unser Sohn ist der Mann Ihrer Tochter ...«, begann die Baronin.
    »Leider Gottes!« seufzte Crevel.
    »Diese Ehe würde ein zweites Mal nicht zustande kommen«, fuhr Frau von Hulot lebhaft fort, »das ist mir völlig klar. Trotzdem brauchen Sie sich nicht zu beklagen. Mein Sohn ist einer der ersten Pariser Rechtsanwälte, dazu seit einem Jahre Abgeordneter. Sein erstes Auftreten in der Kammer war glänzend genug, um hoffen zu können, daß er in nicht zu langer Zeit einmal Minister werden wird. Viktor ist zweimal zum Referenten bei der Einbringung wichtiger Gesetze gewählt worden. Wenn er es wollte, könnte er bereits Generalanwalt am Kassationshofe sein. Da Sie mir dennoch zu verstehen geben, Sie hätten einen Schwiegersohn ohne Vermögen ...«
    »Ein Schwiegersohn«, unterbrach sie Crevel, »den ich unterhalten muß, das dünkt mich eine üble Sache, gnädige Frau. Von der halben Million, die meine Tochter als Mitgift bekommen hat, sind zweimalhunderttausend Francs Gott weiß wohin! Die Schulden Ihres Herrn Sohnes sind davon bezahlt worden, die Prachteinrichtung seines Hauses, eines Hauses, das eine halbe Million wert ist, aber keine fünfzehntausend Francs Zinsen bringt, weil er den schönsten Teil darin selber bewohnt, obgleich zweihundertsechzigtausend Francs Hypotheken darauf stehen. Der Mietertrag deckt knapp die Hypothekenzinsen. In diesem Jahre gebe ich meiner Tochter so an die zwanzigtausend Francs, damit die ganze Karre nicht im Dreck steckenbleibt. Mein Schwiegersohn, der wirklich seine dreißigtausend Francs im Jahre verdienen könnte, vernachlässigt seine Tätigkeit an den Gerichtshöfen zugunsten seiner Beschäftigung als Abgeordneter ...«
    »Herr Crevel, wir halten uns immer noch bei der Vorrede auf und kommen so nicht zur Sache. Machen wir Schluß damit! Mein Sohn wird Minister, Sie sind durch ihn Ritter der Ehrenlegion geworden und Stadtrat von Paris. Als ehemaliger Parfümerienhändler können Sie sich also wirklich nicht beklagen!«
    »Darauf geht's also hinaus, gnädige Frau! Ich bin ein privatisierender Krämer, Tütendreher, Verkäufer von Hautsalbe, Kopfwasser und Haaröl. Muß mich hochgeehrt fühlen, daß ich meine einzige Tochter an den Sohn des Herrn Baron Hulot von Ervy verheiratet habe, daß sie Baronin geworden ist! Aber leben wir denn in der Zeit der Regentschaft oder unter Ludwig XV.? Rokokofaxen! Was geht mich das an? Ich liebe Cölestine, wie man seine eigene Tochter eben liebt. Ich liebe sie dermaßen, daß ich ihr zuliebe, um ihr keine Geschwister in die Welt zu setzen, all die Unbequemlichkeiten, in Paris Witwer zu sein, auf mich geladen habe, und das in meinen besten Jahren, gnädige Frau! Aber glauben Sie mir: trotz dieser sinnlosen Liebe zu meiner Tochter werde ich mein Vermögen nicht für Ihren Sohn verpulvern. Sein Aufwand scheint mir, dem ehemaligen Kaufmann, einer sauberen Rechnung zu entbehren.«
    »Herr Crevel, wir haben gerade jetzt auf dem Posten des Handelsministers einen ehemaligen Parfümerienhändler aus der Rue des Lombards: Herrn Popinot ...«
    »Mein Freund Popinot!« rief Crevel aus. »Gnädige Frau, ich, Cölestin Crevel, ich war doch einmal erster Kommis beim alten Cäsar Birotteau. Von besagtem Birotteau, Popinots Schwiegervater, habe ich mein Geschäft gekauft. Popinot war damals auch
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