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Tallinn-Verschwörung

Tallinn-Verschwörung

Titel: Tallinn-Verschwörung
Autoren: N Marni
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Kontrast zu dem sonnenverbrannten Gesicht, das nicht so recht zu dem kühlen, regnerischen Sommer dieses Jahres passen wollte.
    Der Ältere trat auf Trieblinger zu und zog einen Ausweis. »Major Wagner, MAD. Sie sollen eine Leiche gefunden haben. «
    Trieblinger verzog das Gesicht. Was zum Teufel hat der Militärische Abschirmdienst mit dieser Sache zu tun?, fuhr es ihm durch den Kopf. »Gefunden wurde die Leiche heute Morgen vom Putzdienst der Anlage.« Er wies dabei auf einen unglücklich wirkenden Afrikaner im Blaumann, der sich in der Nähe an seinem Besen festzuhalten schien.

    Wagner nickte, wandte sich dann dem Leichenwagen zu, in dem der Sarg bereits verstaut war, und forderte die Besatzung auf, ihn noch einmal zu öffnen. Die Männer waren früh aus ihren Betten geholt worden und wollten weg. Doch ein Blick in das harte Gesicht des MAD-Mannes verriet ihnen, dass es besser war, ihm zu gehorchen. Sie schraubten den Alusarg auf und hoben den Deckel an.
    »Besonders gesund sieht die Frau nicht mehr aus«, meinte einer von ihnen bissig.
    Wagner stieß ein kurzes Knurren aus und betrachtete die Leiche. Er hätte seinen Leutnant nicht gebraucht, um dessen Freundin Andrea zu identifizieren. Jetzt ärgerte er sich, dass er ihn mitgenommen hatte. Der Anruf war jedoch zu überraschend gekommen. Dabei hatte er selbst zugestimmt, dass Andrea, die keine näheren Verwandten mehr besaß, seine Dienststelle als Kontaktadresse angeben durfte für den Fall, dass ihr ein Unfall zustoßen sollte. Mit einer müden Bewegung wandte er sich Torsten zu.
    »Es tut mir leid, Renk. Andrea war eine wundervolle Frau.«
    Torsten hörte ihn nicht. Er starrte auf die leblose Gestalt, die wie eine zerbrochene Gliederpuppe im Sarg lag, und spürte, wie der Druck in seinem Kopf stieg, bis er schier zu platzen drohte. Er hatte Andrea geliebt, auch wenn es nicht immer einfach gewesen war, ihre oftmals gegensätzlichen Ansichten miteinander zu vereinbaren. Mit einem bitteren Gefühl dachte er daran, wie sie sich nach seiner Rückkehr aus Afghanistan vor drei Tagen heftig gestritten hatten. Andrea war wütend gewesen, weil er seinen Aufenthalt dort auf ein ganzes Jahr ausgedehnt hatte und in der Zeit kein einziges Mal nach Hause gekommen war. Jetzt bedauerte er seine Hartnäckigkeit, denn wenn er in München gewesen wäre, hätte er Andrea gewiss davon abhalten können, in
diesen Wohnsilo zu ziehen. Er hatte die Ansammlung von Hochhäusern in seiner Wut einen Slum genannt. Ganz so heruntergekommen sah die Anlage zwar nicht aus, doch er konnte sich vorstellen, dass die triste Umgebung aus Beton und schwarzen Eternitfassaden die Seele eines Menschen trüben konnte.
    Trotzdem glaubte er nicht daran, dass Andrea Selbstmord begangen hatte, so wie der Polizeibeamte es ihm weismachen wollte. Schließlich war es gerade einmal drei Tage her, dass sie ihm mit Begeisterung von all dem berichtet hatte, was sie in den nächsten Monaten und Jahren in der Klinik erreichen wollte.
    »Was ist das?« Torsten zeigte auf einen welligen Riss an der Schläfe der Toten, der ein wenig geschwollen schien.
    Der Polizeiarzt war inzwischen ebenfalls aus dem Auto gestiegen und zuckte jetzt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Die Frau hat sich bei dem Aufprall so viele tödliche Verletzungen zugezogen, dass es auf eine Schramme mehr oder weniger nicht ankommt.«
    Torsten Renk streckte die Hand aus und berührte die Stelle. Andreas Haut fühlte sich kalt an, und ihre blauen Augen zeigten einen erstaunten Eindruck, als könne sie selbst nicht begreifen, was geschehen war. Er glaubte auch Angst darin zu lesen und sah sich die Verletzung an der Schläfe noch einmal an. Obwohl sie nicht schwer genug war, um zum Tod zu führen, brannte sich ihr Anblick in sein Gedächtnis ein.
    Unterdessen leierte Trieblinger seinen Bericht herunter. Wagner hörte ihm aufmerksam zu, auch wenn er einige der Kommentare als persönliche Ansichten des Polizisten abtat. Zu seiner Verwunderung schien sein Untergebener sich nicht für Trieblingers Untersuchung zu interessieren.
    Er hatte aber doch zugehört, denn mit einem Mal hob er
den Kopf. »Sie wollen sagen, meine Freundin wäre sofort gesprungen, nachdem sie die Wohnung betreten hatte?«
    Trieblinger nickte. »Das stimmt. Sie trug noch ihren Rucksack auf dem Rücken.« Da erst begriff der Polizeibeamte die Verbindung des jungen MAD-Mannes mit der Toten und wurde für einen Augenblick ganz still.
    »Mein Beileid!« Er wollte Torsten die Hand reichen,
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