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Tal der Traeume

Titel: Tal der Traeume
Autoren: Shaw Patricia
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legte sie sich mit einem feuchten Tuch über den Augen aufs Bett und hoffte, wie immer, auf das Wunder: dass sie von diesem Bett als glückliche, vernünftige Frau aufstehen würde und alles in ihrer Welt wieder am richtigen Platz stünde. 
     
    Lucy kehrte auf die Veranda zurück und lief die Stufen hinunter zu den Stallungen. Der Gedanke an die verrückte Idee ihrer Mutter, die Station zu verlassen, beunruhigte sie noch immer. Unterwegs traf sie Casey, den Vorarbeiter. »Ah, Lucy. Ich wollte zu dir. Dein Vater wurde aufgehalten.« »Was ist passiert?« »Nichts Besonderes. Er musste helfen, Vieh von Big Run bis Campbell’s Gorge zu treiben.« »O nein! Woher weißt du das?« »Er hat ein paar von unseren Schwarzen auf dem Viehweg getroffen und sie mit der Nachricht zurückgeschickt. Damit wir uns keine Sorgen machen.« Lucy war außer sich. »Sorgen? Ich könnte ihn erwürgen. Was zum Teufel denkt er sich dabei? Sollen wir hier eingeschlossen werden?« Casey grinste. »Es ist noch viel Zeit. Der Regen ist noch weit.« »Ach, wirklich?« Lucy wandte sich um und deutete auf eine graue Wolke in der Ferne. »Und was ist das, bitte schön? Etwa Rauch?« »Nein, aber das ist nur der Anfang. Dauert noch eine Weile, bevor das Wetter umschlägt, und dann ist es noch lange hin, bis die Flüsse anschwellen. Du wirst bald unterwegs sein.« Er ging weiter und drehte sich noch einmal um. »Ich habe gehört, der junge Myles Oatley wird zurückerwartet. Dreht sich das ganze Theater um ihn?« »Natürlich nicht.« Sie stapfte davon. Verdammt. Verdammt. Verdammt! Es würde Tage dauern, bevor sie aufbrechen konnten, je nachdem, wie weit sich die Treiber der Schlucht bereits genähert hatten, und hier gab es nicht mehr viel zu tun. Außer vielleicht, mit ihrer Mutter zu reden und sie auf diese Weise hoffentlich zur Vernunft zu bringen.
     
    2.       Kapitel
     
    Die Wände der Schlucht wuchsen so steil aus der Erde, dass das menschliche Auge sie nicht mit einem Blick erfassen konnte; mächtige, rot gestreifte Zwillingstürme, die sich emporreckten, bis das schmale, blaue Band über dem Spalt nicht mehr Himmel war, sondern ein Dach, das eine machtvolle Hand über die Schlucht gestülpt hatte. In der Tiefe beugten sich hohe Palmen, zwergengleich vor den ungeheuren Ausmaßen dieser Schlucht, über eine Reihe von Wasserlöchern im zwei Meilen langen Sandboden der Höhle und verliehen der schroffen Umgebung Anmut und einen Hauch von Exotik. Yorkey starrte die Bäume an, fragte sich, wie sie hier überleben konnten, wo es Hitze und Wasser im Übermaß, aber nur wenig Nahrung gab. In der Regenzeit mussten sie sich mit Gewalt in der Erde festklammern. Viele der Bäume waren noch jung, mager, reckten sich zum Licht, sobald sie Halt gefunden hatten, erschufen Jahr um Jahr eine kleine Oase. Ein Wunder. Doch die Schlucht selbst war schon ein Ehrfurcht gebietendes Wunder. Dieser Ort strahlte Stärke und Macht aus. Er wirkte kühn und standhaft. Yorkey hatte das Gefühl, er müsste jubeln, nur weil er hier war. Weil er diesen Ort überhaupt gefunden hatte. Seine Mutter hatte ihm die berühmte Legende aus der Traumzeit erzählt, in der sich die Geister über zwei Stämme ärgerten, die um Land stritten, und daher die Erde spalteten, um den Streit zu schlichten. Dabei hatten sie jedoch ein Liebespaar getrennt, und der junge Mann hatte sich aus lauter Verzweiflung in die Schlucht gestürzt. Er hatte den Waray angehört, dem Volk von Yorkeys Mutter, und deshalb beanspruchten sie die Schlucht als ihr Eigentum. So war Yorkey die Geschichte im Gedächtnis geblieben. Sie hatte ihm selten solche Dinge erzählt, nur wenn ihr danach war, und erklärt, die Schlucht trage verschiedene Namen in den Sprachen der Völker, da sie so bedeutend sei. Mittlerweile hatte Yorkey fast alle diese Namen vergessen, wenn er sie überhaupt je verstanden hatte. Immerhin war er in der Welt der Weißen aufgewachsen… Sehnsüchtig betrachtete er nun die hohen Wände mit den Felsvorsprüngen und wünschte sich, er hätte besser zugehört. Es wäre interessant, die Geschichte genau zu kennen. Wer waren diese Geister? Vermutlich hatten überhaupt nur Geister, keine Menschen, die Schlacht ausgetragen, da sie in die Tiefen der Zeit zurückreichte. Yorkey glaubte an die allmächtigen Geister der Aborigines, die sich nicht vom Gott der weißen Menschen unterschieden, der ebenfalls mit Blitzen zuschlagen konnte, bezweifelte aber, dass sie in den Kämpfen der Menschen Stellung
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