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Tagebuch (German Edition)

Tagebuch (German Edition)

Titel: Tagebuch (German Edition)
Autoren: Anne Frank
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aus seiner Eingeschränktheit herauszuheben und ihn groß zu machen in seiner Jugend.
    »Denn im tiefsten Grund ist die Jugend einsamer als das Alter.« Diesen Spruch habe ich aus einem Buch behalten und gefunden, dass er stimmt.
    Ist es denn wahr, dass die Erwachsenen es hier schwerer haben als die Jugend? Nein, bestimmt nicht. Ältere Menschen haben eine Meinung über alles und schwanken nicht mehr, was sie tun sollen oder nicht. Wir, die jüngeren, haben doppelt Mühe, unsere Meinungen in einer Zeit zu behaupten, in der aller Idealismus zerstört und kaputtgemacht wird, in der sich die Menschen von ihrer hässlichsten Seite zeigen, in der an Wahrheit, Recht und Gott gezweifelt wird.
    Jemand, der dann noch behauptet, dass die Älteren es hier im Hinterhaus viel schwerer haben, macht sich nicht klar, in wie viel stärkerem Maß die Probleme auf uns einstürmen. Probleme, für die wir vielleicht noch viel zu jung sind, die sich uns aber so lange aufdrängen, bis wir endlich eine Lösung gefunden zu haben meinen, eine Lösung, die meistens den Tatsachen nicht standhält und wieder zunichte gemacht wird. Das ist das Schwierige in dieser Zeit: Ideale, Träume, schöne Erwartungen kommen nicht auf, oder sie werden von der grauenhaftesten Wirklichkeit getroffen und vollständig zerstört. Es ist ein Wunder, dass ich nicht alle Erwartungen aufgegeben habe, denn sie scheinen absurd und unausführbar. Trotzdem halte ich an ihnen fest, trotz allem, weil ich noch immer an das innere Gute im Menschen glaube.
    Es ist mir nun mal unmöglich, alles auf der Basis von Tod, Elend und Verwirrung aufzubauen. Ich sehe, wie die Welt langsam immer mehr in eine Wüste verwandelt wird, ich höre den anrollenden Donner immer lauter, der auch uns töten wird, ich fühle das Leid von Millionen Menschen mit. Und doch, wenn ich zum Himmel schaue, denke ich, dass sich alles wieder zum Guten wenden wird, dass auch diese Härte aufhören wird, dass wieder Ruhe und Frieden in die Weltordnung kommen werden. Inzwischen muss ich meine Vorstellungen hochhalten, in den Zeiten, die kommen, sind sie vielleicht doch noch auszuführen!
    Deine Anne M. Frank

Freitag, 21. Juli 1944
    Liebe Kitty!
    Nun werde ich hoffnungsvoll, nun endlich geht es gut. Ja, wirklich, es geht gut! Tolle Berichte! Ein Mordanschlag auf Hitler ist ausgeübt worden, und nun mal nicht durch jüdische Kommunisten oder englische Kapitalisten, sondern durch einen hochgermanischen deutschen General, der Graf und außerdem noch jung ist. Die »göttliche Vorsehung« hat dem Führer das Leben gerettet, und er ist leider, leider mit ein paar Schrammen und einigen Brandwunden davongekommen. Ein paar Offiziere und Generäle aus seiner nächsten Umgebung sind getötet oder verwundet worden. Der Haupttäter wurde standrechtlich erschossen.
    Der beste Beweis doch wohl, dass es viele Offiziere und Generäle gibt, die den Krieg satt haben und Hitler gern in die tiefsten Tiefen versenken würden, um dann eine Militärdiktatur zu errichten, mit deren Hilfe Frieden mit den Alliierten zu schließen, erneut zu rüsten und nach zwanzig Jahren wieder einen Krieg zu beginnen. Vielleicht hat die Vorsehung mit Absicht noch ein bisschen gezögert, ihn aus dem Weg zu räumen. Denn für die Alliierten ist es viel bequemer und auch vorteilhafter, wenn die fleckenlosen Germanen sich gegenseitig totschlagen. Umso weniger Arbeit bleibt den Russen und Engländern, und umso schneller können sie wieder mit dem Aufbau ihrer eigenen Städte beginnen. Aber so weit sind wir noch nicht, und ich will nichts weniger, als den glorreichen Tatsachen vorgreifen. Trotzdem merkst du wohl, dass das, was ich sage, die Wahrheit ist, nichts als die Wahrheit. Ausnahmsweise fasele ich nun mal nicht über höhere Ideale.
    Hitler ist ferner noch so freundlich gewesen, seinem treuen und anhänglichen Volk mitzuteilen, dass alle Militärs von heute an der Gestapo zu gehorchen haben und dass jeder Soldat, der weiß, dass sein Kommandant an diesem feigen und gemeinen Attentat teilgenommen hat, ihn abknallen darf.
    Eine schöne Geschichte wird das werden. Der kleine Michel hat schmerzende Füße vom langen Laufen, sein Herr, der Offizier, staucht ihn zusammen. Der kleine Michel nimmt sein Gewehr, ruft:
    »Du wolltest den Führer ermorden, da ist dein Lohn!« Ein Knall, und der hochmütige Chef, der es wagte, Michel Standpauken zu halten, ist ins ewige Leben (oder ist es der ewige Tod?) eingegangen. Zuletzt wird es so sein, dass die Herren
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