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Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht

Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht

Titel: Tagebuch Eines Vampirs 01. Im Zwielicht
Autoren: Lisa J. Smith
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drang schwach von unten herauf. Elena fuhr ein letztes Mal mit der Bürste durch ihr seidiges Haar und band es mit einem dunkelrosa Band zurück. Dann schnappte sie sich ihre Tasche und lief die Treppe hinunter. In der Küche saß die vierjährige Margaret am Tisch und aß Cornflakes.
    Tante Judith brutzelte irgendwas auf dem Herd. Sie wirkte immer leicht aufgeregt. Ihr Gesicht war schmal und gütig, und ihr dünnes, flatterndes Haar war zu einem Knoten zurückgebunden, der sich schon wieder auflöste. Elena küßte sie leicht auf die Wange. „Morgen alle miteinander. Tut mir leid, ich hab keine Zeit mehr zu frühstücken.“ „Aber Elena, du kannst doch nicht mit leerem Magen... du brauchst deine Vitamine...“ „Ich werde mir vor der Schule etwas in der Bäckerei kaufen“, unterbrach Elena sie. Sie drückte einen Kuß auf Margarets gesenkten Kopf und wandte sich zum Gehen. „Aber, Elena...“ „Und ich werde nach der Schule vermutlich zu Bonnie oder Meredith gehen, also wartet nicht mit dem Essen auf mich. Tschüß! “ „Elena...“ Doch die war schon an der Haustür.
    Sie schloß sie hinter sich, trat auf die Veranda... und blieb stehen. All die bösen Gefühle, die sie am Morgen gehabt hatte, waren mit einem Schlag wieder da. Die Aufregung, die Angst.
    Und die Gewißheit, daß etwas Schreckliches passieren würde.
    Maple Street lag verlassen da. Die großen, viktorianischen Häuser sahen gespenstisch aus. Wie die Kulisse eines verlassenen Drehorts. Sie machten den Eindruck, als ob sie menschenleer seien, aber voller merkwürdiger anderer Wesen, die alles genau beobachteten. Das war es. Etwas beobachtete Elena. Der Himmel war nicht blau, sondern milchig und verschleiert. Er wölbte sich über ihr wie eine riesige, umgedrehte Schüssel. Die Luft war schwül und drückend.
    Elena fühlte, daß jemand sie ansah. Sie erhaschte einen Blick auf etwas Dunkles in den Zweigen des alten Quittenbaums vor dem Haus. Es war eine Krähe. Sie saß völlig reglos im gelben Laub. Und sie musterte Elena. Elena versuchte sich einzureden, daß das völlig verrückt war, aber in ihrem Innersten war sie sicher. Es war die größte Krähe, die sie jemals gesehen hatte.
    Muskulös und geschmeidig mit einem pechschwarzen Federkleid, auf dem sich das Licht in Regenbogenfarben brach.
    Elena registrierte jede Einzelheit: die gefährlichen, schwarzen Krallen, den scharfen Schnabel und das ihr zugewandte, glitzernde schwarze Auge. Der Vogel war so still, daß man ihn für eine Wachsfigur hätte halten können. Aber während sie ihn ansah, fühlte Elena, wie sie langsam rot wurde. Die Hitze stieg in Wellen ihren Hals und ihre Wangen hoch. Weil er sie so...
    anschaute. Genauso wie Jungs sie musterten, wenn sie einen Badeanzug oder eine durchsichtige Bluse trug. Als ob er sie mit seinen Augen ausziehen wollte. Bevor sie überhaupt merkte, was sie da machte, hatte sie ihre Tasche fallen gelassen und einen Stein vom Weg aufgehoben. „Hau ab!“
    schrie sie. Ihre Stimme bebte vor Wut. „Hau ab! Mach, daß du wegkommst!“ Mit den letzten Worten warf sie den Stein. In einem Schauer aus herabfallendem Laub entkam die Krähe unverletzt. Ihre ausgebreiteten Flügel waren riesig. Elena duckte sich unwillkürlich und geriet in Panik, als der große Vogel dicht über ihren Kopf hinwegflog. Der Wind seines Flügelschlags wirbelte ihr blondes Haar durcheinander. Aber die Krähe stieg wieder höher und kreiste wie eine schwarze Silhouette am weißen Himmel. Dann flog sie mit einem heiseren Krächzen in Richtung Wald davon. Elena richtete sich langsam auf und sah sich verschämt um. Sie konnte kaum fassen, was sie gerade getan hatte. Jetzt, wo der Vogel fort war, war die erstickende Atmosphäre verschwunden. Ein leichter, frischer Wind raschelte in den Blättern. Elena holte tief Luft. Ein Stück die Straße hinunter öffnete sich eine Tür, und ein paar Kinder liefen lachend auf die Straße. Elena lächelte sie an und atmete wieder tief ein. Erleichterung durchflutete sie wie warmes Sonnenlicht. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Es war ein wunderschöner Tag voller Versprechungen, und nichts Böses würde geschehen. Nichts Böses, außer, daß sie ausgerechnet am ersten Schultag zu spät kommen würde. Die ganze Clique würde sicher schon ungeduldig auf dem Parkplatz warten. Du kannst ihnen immer noch erzählen, daß du stehengeblieben bist, um einen Stein auf einen aufdringlichen Typen zu werfen, dachte sie und hätte fast gekichert. Das
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