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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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Arm und Aktentasche geschlungen. Sie zerrte und zupfte fluchend daran, während sie über die Rutschbahn trippelte, die als Parkplatz diente hinter dem Rathaus von Deer Lake und der örtlichen Polizeibehörde. Sie packte das eine Ende des Schals, warf es über die Schulter – und geriet trotz heftigen Ruderns aus dem 28
    Gleichgewicht. Die Absätze der Stiefel, die sie aus
    Vergrößerungsgründen angezogen hatte, wurden zu
    Schlittschuhen, sie tanzte und strampelte zwei Meter weiter, dann knallte sie wie ein Mehlsack direkt auf ihren Hintern.
    Schmerz schoss von ihrem Po bis in ihr Gehirn und dröhnte wie eine Glocke.
    Einen Moment lang blieb Megan einfach mit zugekniffenen Augen sitzen, doch drang langsam die Kälte durch ihre
    schwarze Wollhose.
    Sie sah sich auf dem Parkplatz nach Zeugen um. Es gab keine.
    Den Nachmittag hatte die Last der Dunkelheit zermalmt. Fünf Uhr war lange vorbei und der Großteil des Büropersonals bereits nach Hause gegangen. Chief Holt machte wahrscheinlich auch schon Feierabend, aber sie wollte es zumindest im Logbuch haben, dass sie diesen Termin eingehalten hatte. Mit drei Stunden Verspätung, aber immerhin!
    »Ich hasse Winter«, fauchte sie und versuchte sich wenig elegant hochzurappeln, was ihr nach einiger Mühe mit Hilfe einer Autotür gelang. »Ich hasse Winter.«
    Sie würde viel lieber irgendwo südlich des Schneegürtels leben. Es spielte keine Rolle, dass sie in St. Paul geboren und aufgewachsen war.
    Liebe zu arktischen Temperaturen gab es in ihren Genen einfach nicht. Sie mochte keine Daunenjacken, und von
    Wollpullovern bekam sie Ausschlag.
    Wenn da nicht ihr Vater gewesen wäre, wäre sie längst in die Subtropen abgeschwirrt. Sie hätte den FBI-Posten angenommen, den man ihr während ihres Aufenthalts in der Akademie in Quantico, Memphis angeboten hatte. Die Menschen in Memphis wussten nicht einmal, was Winter war. Ihre Thermometer hatten wahrscheinlich keine Anzeigen unter Null. Wenn sie je die Worte Alberta Clipper hörten, dachten sie wahrscheinlich, das wäre der Name eines Bootes und nicht eine Wetterfront, die 29
    sogar den Polarbären das Mark in den Knochen gefrieren ließ.
    Ich bleib wegen dir hier, Paps.
    Als ob ihn das auch nur die Bohne interessierte.
    Die Zähne der Kopfschmerzen nagten nun heftiger.
    Das attraktive, V-förmig angelegte einstöckige
    Backsteingebäude des neuen Deer Lake City Center war ein Beweis für die wachsenden Steuereinkünfte von den Leuten, die aus den Städten hierherzogen.
    Die Stadt lag gerade noch im Pendlerbereich für den Süden der Hauptstadt. Nachdem in Minneapolis und St. Paul
    Überbevölkerung und Verbrechen voranmarschierten, suchten diejenigen, die es sich leisten konnten und nichts gegen die lange Anfahrt hatten, die schrulligen Reize von Orten wie Deer Lake, Elk River, Northfield, Lakefield.
    Die Stadtverwaltung war im südlichen Flügel des City Centers untergebracht, das Polizeirevier und das Büro des verstorbenen Leo Kozlowski im nördlichen, mit dem städtischen Gefängnis im ersten Stock.
    Weitere Möglichkeiten zur Inhaftierung gab es auf der anderen Seite des Stadtplatzes im alten Park County Gerichtsgebäude mit Polizeirevier, wo sich das Revier des County Sheriff und das Bezirksgefängnis befanden.
    Gleich nach ihrem Eintritt in das Gebäude wandte sich Megan nach links und hastete den geräumigen Korridor entlang, ohne das hübsche Atrium mit seinen Oberlichtern und Töpfen voller Palmen und Fresken über die Geschichte von Deer Lake eines Blickes zu würdigen.
    Aus dem Augenwinkel sah sie sich im Glas einer Vitrine und zuckte heftig zusammen. Sie sah aus, als hätte sie sich gerade einen Rupfensack vom Kopf gezogen. Heute morgen – es kam ihr vor, als wäre das schon einen Monat her – hatte sie ihre dunkle Mähne mit einer schwarz-gelb karierten Schleife zu 30
    einem Pferdeschwanz gebändigt.
    Ordentlich. Ganz die tüchtige Geschäftsfrau. Jetzt hingen ihr etliche Strähnen ins Gesicht und über Wangen und Kinn. Sie versuchte, die Ausreißer mit einer ungeduldigen Bewegung zurückzustreichen.
    Der Empfangstresen am Eingang zum Polizeiflügel lag bereits verlassen da. Sie marschierte vorwärts zu den Sicherheitstüren, die den Stadtrat vor Kriminellen und Cops schützte, und umgekehrt. Hier drückte sie auf den Summer, wartete und sah sich durch die kugelsichere Scheibe den Einsatzraum an. Das Zimmer war hell und sauber – weiße Wände, schiefergrauer Industrieteppich, der noch keinerlei
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