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Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker

Titel: Sturmklänge - Sanderson, B: Sturmklänge - Warbreaker
Autoren: Brandon Sanderson
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Dunkler. Rot wurde zu Weinrot. Gelb verhärtete sich zu Gold. Blau näherte sich Marineblau an.
    » Sei vorsichtig, mein Freund«, sagte Vascher sanft. » Dieses Schwert ist gefährlich.«
    Der Wächter schaute auf. Es war ganz still im Raum. Dann schnaubte der Wachmann und schritt von Vaschers Zelle fort; das Schwert hielt er noch immer in der Hand. Die anderen beiden folgten ihm mit Vaschers Reisesack; sie betraten die Wachkammer am Ende des Raumes.
    Mit einem dumpfen Knall wurde die Tür geschlossen. Sofort kniete Vascher neben dem Strohbündel nieder und zog eine Handvoll kräftiger Halme heraus. Er zog am Saum Fäden aus seinem Mantel und band das Stroh zur Gestalt eines kleinen Menschen mit büscheligen Armen und Beinen von insgesamt etwa drei Zoll Länge zusammen. Er zupfte sich ein Haar aus seinen Brauen, befestigte es am Kopf der Strohpuppe, griff dann in seinen Stiefel und zog einen leuchtend roten Schal hervor.
    Dann hauchte Vascher.
    Es floss aus ihm heraus, trieb in der Luft, war durchscheinend und doch strahlend, wie die Farbe von Öl, das in der Sonne auf dem Wasser glitzerte. Vascher spürte, wie es aus ihm herausströmte: der biochromatische Hauch, wie ihn die Gelehrten bezeichneten. Die meisten Menschen nannten ihn einfach nur Hauch. Jeder Mensch hatte einen. Oder zumindest war es in der Regel so. Ein Mensch, ein Hauch.
    Vascher hingegen besaß etwa fünfzig Hauche– gerade genug, um die Erste Erhebung zu erreichen. Er fühlte sich armselig, weil er nur noch so wenig hatte, aber die meisten Menschen würden dies als einen großen Schatz betrachten. Doch selbst das Erwecken einer so kleinen Figur aus organischem Material– das einen Teil seines eigenen Körpers als Konzentrationspunkt besaß– kostete ihn ungefähr die Hälfte seiner Hauche.
    Die kleine Strohpuppe zuckte zusammen und saugte den Hauch in sich ein. Die Hälfte des leuchtend roten Schals verblasste und wurde grau. Vascher beugte sich hinunter, stellte sich vor, was er der Figur befehlen wollte, und beendete den letzten Schritt des Prozesses, indem er das Kommando gab.
    » Hol die Schlüssel.«
    Die Strohperson stand auf, sah Vascher an und hob die einzelne Braue.
    Vascher deutete auf den Wächterraum. Von dort hörte er plötzliche Rufe des Erstaunens.
    Es bleibt nicht mehr viel Zeit, dachte er.
    Die Strohgestalt rannte über den Boden, sprang hoch und zwischen den Gitterstäben hindurch. Vascher zog seinen Mantel aus und legte ihn auf den Boden. Er bildete den vollkommenen Umriss eines Menschen, hatte dort Risse, wo sich an Vaschers Körper die Narben befanden, und Löcher in der Kapuze, so dass sie wie Vaschers Augen aussahen. Je näher ein Gegenstand der menschlichen Form kam, desto weniger Hauch benötigte man, um ihn zu erwecken.
    Vascher beugte sich noch tiefer hinunter und versuchte dabei nicht an die Zeit zu denken, in der er genug Hauch in sich gehabt hatte, um etwas ohne Berücksichtigung der Form und ohne Konzentrationspunkt erwecken zu können. Das war eine andere Zeit gewesen. Er zuckte zusammen, riss sich ein Haarbüschel aus und verteilte es über der Kapuze des Mantels.
    Erneut hauchte er.
    Es bedurfte des gesamten Rests seiner Hauche. Als sie aus ihm gewichen waren– und der Mantel erbebte und der Schal den Rest seiner Farbe verloren hatte–, fühlte sich Vascher… unwirklicher. Es war nicht lebensbedrohlich, wenn man jeden Hauch verlor. Die überzähligen Hauche, die Vascher benutzt hatte, hatten früher anderen Menschen gehört. Vascher wusste nicht, wer sie gewesen waren; er hatte die Hauche nicht persönlich eingesammelt. Man hatte sie ihm gegeben. Aber so war es natürlich immer. Es war unmöglich, einen Hauch durch Gewalt an sich zu nehmen.
    Als der letzte Hauch ihn verlassen hatte, veränderte er sich. Die Farben erschienen ihm nicht mehr so hell. Er konnte das geschäftige Treiben der Menschen in der Stadt über ihm nicht mehr spüren; normalerweise war die Verbindung mit ihnen etwas Selbstverständliches. Es war die Aufmerksamkeit, die jeder Mensch für den anderen empfand– das, was einem in der Benommenheit des Schlafes verriet, dass soeben jemand das Zimmer betreten hatte. Bei Vascher war dieser Sinn um das Fünfzigfache verstärkt gewesen.
    Und nun war er verschwunden. Aufgesaugt von dem Mantel und der Strohgestalt, denen er Kraft verliehen hatte.
    Der Mantel zuckte. Vascher beugte sich zu ihm herunter. » Beschütze mich«, befahl er, und der Mantel wurde reglos. Vascher stand auf und zog ihn wieder
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