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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel
Autoren: Dora Tauer
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Problem, Carola.” Er streichelte meinen rotblonden Lockenkopf. „Dann koche ich eben. Meine Schüler freuen sich, wenn ich eine Stunde früher abhaue. Und ich hole auch die Zwillinge von der Schule ab.“
    So war er immer, mein lieber Steffen. Er überschlug sich fast vor Liebe und Fürsorge. Und genau das machte es mir so verdammt schwer. „Nicht nötig, Schatz. Ina nimmt die Kinder mit. Sie können bei ihr essen, wir haben schon alles geregelt.“
    Wie unsere Zwillinge, gingen auch die beiden Kinder von Ina und Gregor auf die Grundschule unseres Eifeldorfes. Aus guter Nachbarschaft entwickelte sich vor drei Jahren eine enge Freundschaft; eigentlich schon in den ersten Tagen, nachdem Ina und Gregor im Haus nebenan eingezogen waren.
    Steffen trieb die Zwillinge zur Eile an. „Ich bring' euch heute in die Schule.“ Er trank seinen Kaffee aus. „Dann kann Mama sich noch ein wenig hinlegen.“ Meinen Widerspruch erstickte er mit einem Kuss. Jede andere Frau hätte sich glücklich geschätzt, mit einem Mann wie Steffen verheiratet zu sein.
    Ich verkroch mich ins Schlafzimmer und lauschte, wie Steffen und die Kinder das Haus verließen. Die innere Unruhe trieb mich schließlich aus dem Bett und in die Kleider. Den ganzen Vormittag über versuchte ich, sie mit Hausarbeit zu betäuben. „Heute muss ich mit ihm reden“, sagte ich mir ständig. „Heute muss ich reinen Tisch machen.“ Das schlechte Gewissen wühlte mir im Bauch und stach mir ins Herz.
    Erst gegen halbzwölf wichen Unruhe und Gewissensbisse einem anderen, stärkeren Gefühl: Sehnsüchtige Vorfreude ließ mich alles andere vergessen. Vor Aufregung würgte ich zweimal den Motor ab, bevor mein Auris endlich aus der Garage rollte.

    *

    Auf dem Weg zu ihm stellte ich mir Gregor vor, wie er mit Ina telefonierte. „Hi, Herzblatt“, würde er sagen. „Ich komm' heute nicht zum Mittagessen.“ Alles was Gregor tat und sagte, hatte die Selbstverständlichkeit einer Naturerscheinung. Die meisten Menschen akzeptierten es widerspruchslos. Auch Ina.
    „Schade“, würde sie allenfalls entgegnen. „Du hättest für eine Stunde die Kinder hüten können, Großer, ich wollte doch noch etwas für den Gemeindenachmittag besorgen.“ Ohne Ina wäre der Pastor längst aufgeschmissen gewesen.
    Mit einem tönenden „Sorry, Herzblatt!“ würde Gregor ihre Einwände beiseite wischen; allenfalls noch die vielen Aufträge erwähnen, die er am Morgen unerwartet hereinbekommen habe, und vielleicht auf die Konferenz hinweisen, die er deswegen für zwölf Uhr habe ansetzen müssen.
    Ich hielt vor dem geschlossenen Bahnübergang und mir war, als würde ich seine tiefe Stimme hören. Seine Stimme und seine Geschichten waren unwiderstehlich.
    Auch den Termin beim Gynäkologen hatte Gregor sich ausgedacht. Was sollte Steffen dagegen schon einwenden? Und was sollte Ina schon gegen seine vorgetäuschten Termine einwenden? „Schon gut, mein Großer“, würde sie sagen, „ich lass’ mir halt etwas einfallen. Und hals' dir bloß nicht zuviel Arbeit auf, hörst du?“ Dann würde sie einen Kuss ins Telefon schmatzen und auflegen. Und Gregor würde Inas weiches, mütterlich lächelndes Gesicht auf dem Bild neben dem Telefon betrachten und denken: Habe ich nicht die ideale Frau?
    Der Zug donnerte vorbei, die Schranken öffneten sich, ich fuhr weiter. Ja, die ideale Frau hatte Gregor – eher würde Ina die Nacht durcharbeiten, als ihn gegen seinen Willen einzuspannen. Seit er die Werbeagentur gegründet hatte, mühte sie sich doppelt, jede familiäre Verpflichtung von ihm fernzuhalten.
    Ich wusste Bescheid, ich kannte die Ehe der beiden beinahe so gut wie meine eigene. Gregor und ich erzählten uns alles.
    Dazu kam Inas soziales Engagement – selten habe ich eine Frau mit solch steilen, ethischen Maßstäben kennengelernt. Gregor konnte ihr vertrauen. Und was noch wichtiger war, jedenfalls für Gregor und mich: Sie vertraute ihm, und zwar bedingungslos.
    Auch das gehörte zu den Dingen, die es mir zunehmend schwer machten, über die ich mit ihm reden wollte.
    Ich ließ das Ortsausgangsschild hinter mir, noch sieben Kilometer bis in die Stadt. Gregor würde sich jetzt – nach dem Telefonat mit Ina und nach dem Blick auf ihr Foto – zufrieden lächelnd über sein dichtes, schwarzes Haar streichen, auf die Uhr blicken und sich eine Zigarette anzünden. Ich schaute aufs Armaturenbrett: Gleich halb zwölf.
    Höchste Zeit, würde Gregor sich denken und seine Sekretärin anweisen, das
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