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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht
Autoren: Jennifer Blake
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hatte, oder selbst kam. Also holte sie ein silbergraues Seidenkleid hervor, das wegen seiner düsteren Farbe kaum getragen war. Es hatte Claire gehört, die es kurz vor ihrer Abreise nach Frankreich beim Begräbnis eines Großonkels angehabt hatte. Während Maria ihr das Haar frisierte, starrte Angeline in den Spiegel, musterte sich in ihrem grauen Seidenkleid mit den Puffärmeln und dem frostigen Spitzenbesatz am hochgeschlossenen Kragen und dachte an Claire.
    Claire hatte Max geliebt, aber vielleicht hatte sie nicht gewußt, wie sehr, bis er tot war. In ihre Gefühle für ihn mischten sich sicher auch Stolz, Selbstgefälligkeit und ehrgeiziges Streben nach der Position, die sie sich durch die Heirat zu sichern glaubte. Als Maximilian sie fortschickte, lechzte Claire aus verletzter Eitelkeit nach Rache. Wäre sie sich selbst überlassen geblieben, hätte sie getobt, gerast und Geschirr zertrümmert, aber da Meyer sie aufhetzte und in dem Gefühl bestärkte, schlecht behandelt worden zu sein, hatte ihr Rachedurst schlimme Folgen. Die Ängste und Demütigungen, die dann folgten, hatten Claire zerstört. Dennoch hatte sie am Ende zu Angeline gehalten und versucht, Meyer am Erreichen seines Ziels zu hindern, für das er sie mißbraucht hatte.
    Helene und Andre Delacroix holten Angeline ab. In der französischen Gesandtschaft herrschte gedrückte Stimmung. Etwa zwanzig Personen, darunter Gouverneur Villere, der Bürgermeister mit Frau und einige andere Honoratioren, waren in einem langgestreckten, elegant möblierten Saal versammelt. Jim Bowie und Gustav standen in einer Ecke beieinander, und als Angeline hereinkam, hoben sie das Glas, um ihr schweigend zuzuprosten. Auf dem Sofa saß in einem Kleid aus nachtblauem Satin jene Operndiva, die im Barbier von Sevilla Furore gemacht hatte. Leopold und Gustav stellten sich hinter sie. Oswald sah gequält aus und unterhielt sich mit der Konsulin, während Rolf sich mit deren Gatten und dem Gouverneur unterhielt.
    Er trug eine prachtvolle Uniform mit ein paar Orden auf der Brust und fing Angelines Blick lächelnd von der anderen Seite des Saales auf. Mit seinen türkisblauen Augen musterte er sie durchdringend und schenkte den beiden Männern erst dann wieder seine Aufmerksamkeit, als ihn der Gouverneur, der einen Punkt anbringen wollte, dazu zwang, indem er ihn am Arm berührte. Er sieht müde aus, dachte Angeline, und wirkt irgendwie unvollständig ohne das breite blaue Band des Tapferkeitsordens auf der Brust. Sie umklammerte fest ihr Ridikül.
    Das Diner mit seinen unzähligen Gängen zog sich in die Länge. Erst wurde eine Zwiebelsuppe serviert, danach oysters en brochette, daube glace, Puter mit einer Füllung aus Austern und Pekannüssen, gefolgt von Kalbsbraten. Zum Nachtisch gab es tarte aux peches, eine Käseplatte, Nüsse in Weinbrand und getrocknete Feigen. Obwohl alles delikat zubereitet und hübsch angerichtet war, stocherte Angeline nur in ihrem Teller herum, während sie sich bemühte, mit Andre und dem Bürgermeister, die neben ihr saßen, zu konversieren.
    Nach dem Essen wurden die Damen aus dem Speisesaal komplimentiert und die älteren unter ihnen mit größter Aufmerksamkeit zu ihren Stühlen geführt. Man wartete darauf, daß die Diva zu singen anfing.
    Angeline unterhielt sich mit Oswald, während Andre seiner Mutter einen Schal holte. Auf einmal stand Rolf neben ihr.
    »Eine graugetigerte Taube in Trauer, ausgesprochen rührend. Wie geht es dir?«
    »Ganz gut. Und dir?« brachte sie heraus.
    »Am Nachmittag liege ich hingestreckt im dunklen Zimmer und sehne mich nach einer vor Nässe triefenden Urwaldnymphe. Ich würde durch die Straßen wandern und von ihr phantasieren, muß jedoch befürchten, von den Überresten der Garde mit Gewalt zurückgehalten zu werden, und zwar nicht aus Sorge um meine Gesundheit, sondern um deinen Ruf.«
    »Du warst krank?«
    Ein ärgerlicher Ausdruck ging über sein Gesicht, als bedaure er, das angedeutet zu haben. »Gustav kann dir bestätigen, daß ich einen härteren Schädel habe als mancher andere. Es ist nur eine Lappalie.«
    »Glaubt ihm kein Wort, meine Liebe«, sagte Gustav, der jetzt zu ihnen getreten war. »Rolf hat bei der Gefangennahme durch McCulloughs Leute eine Gehirnerschütterung erlitten, und die hat der Schlag, den sie ihm im Spielsalon über den Schädel zogen, zu neuem Leben erweckt.«
    »Danke, Gustav«, sagte Rolf leise und mit einem schneidenden
    Unterton, in dem Entlassung lag. Mit einem Nicken
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