Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Streiflichter aus Amerika

Titel: Streiflichter aus Amerika
Autoren: Bill Bryson
Vom Netzwerk:
gesicherte Lösungen addieren, eine neue gesicherte Lösung erhalten.«
    Meistens hatte ich keinen blassen Schimmer, worüber geredet wurde – gerade darum war es ja so hypnotisierend –, aber sehr gelegentlich (na gut, einmal) konnte ich dem Thema sogar folgen und hatte meinen Spaß daran. Es handelte sich um einen wider Erwarten kurzweiligen Dokumentarfilm, den ich vor drei, vier Jahren zufällig einschaltete und in dem die Vermarktung von Qualitätsarzneimitteln in Großbritannien und den Vereinigten Staaten verglichen wurde.
    Auf beiden Märkten muß man nämlich dasselbe Produkt auf völlig verschiedene Weise verkaufen. In Großbritannien verspricht zum Beispiel eine Werbung für Erkältungskapseln nicht mehr, als daß es einem nach deren Einnahme ein wenig besser geht. Man läuft zwar weiter mit roter Nase und Morgenmantel herum, doch man lächelt wieder, wenn auch matt. Die Werbung in den USA dagegen garantiert einem sofortige und komplette Genesung. Ein Amerikaner, der dieses Wundermittel nimmt, wirft nicht nur seinen Morgenmantel ab und eilt schnurstracks zur Arbeit, sondern fühlt sich auch wohler als seit Jahren und beendet den Tag mit einer Sause auf der Bowlingbahn.
    Letztendlich lief es darauf hinaus, daß die Briten nicht erwarten, daß frei erhältliche Medikamente ihr Leben verändern, während die Amerikaner nichts weniger als das fordern. Im Laufe der Jahre, das kann ich Ihnen versichern, ist dieser rührende Glaube der Nation in nichts erschüttert worden.
    Sie müssen nur einmal zehn Minuten einen x-beliebigen Fernsehsender einschalten, eine Illustrierte durchblättern oder an den ächzenden Regalen eines Drugstore entlanglatschen, und Ihnen wird klar, daß die Amerikaner verlangen, daß es ihnen stets und ständig mehr oder weniger hervorragend geht. Selbst unser Familienshampoo, fällt mir auf, verspricht uns »ein ganz neues Lebensgefühl«.
    Es ist komisch mit den Amerikanern. Sie trichtern sich und allen anderen ständig die Mahnung »Sag nein zu Drogen« ein, und dann laufen sie in den Drugstore und kaufen sie kistenweise. Sie geben fast fünfundsiebzig Milliarden Dollar im Jahr für Medikamente aller Art aus, und pharmazeutische Produkte werden mit einer Aggressivität und Direktheit vermarktet, die doch einigermaßen gewöhnungsbedürftig sind.
    In einem Werbespot, der im Moment im Fernsehen läuft, wendet sich eine nette, mittelalterliche Dame an die Kamera und gesteht ganz freimütig: »Wissen Sie, wenn ich Durchfall habe, gönne ich mir ein wenig Komfort.« (»Warum warten, bis man Durchfall hat?« kann ich da nur sagen.)
    In einer anderen Werbung grinst ein Mann an einer Bowlingbahn (in solchen Spots stehen Männer meistens an Bowlingbahnen) nach einem schlechten Wurf und murmelt seinem Partner zu: »Es sind wieder diese Hämorrhoiden.« Und jetzt kommt's. Der Kerl hat Hämorrhoidensalbe in der Tasche! Nicht im Sportbeutel, nein, auch nicht im Handschuhfach seines Autos, sondern in seiner Hemdtasche, damit er sie jederzeit zücken und die Kumpels bitten kann: Stellt euch mal alle um mich rum. Irre!
    Eine der erstaunlichsten Änderungen der letzten zwei Dekaden aber ist, daß nun selbst für verschreibungspflichtige Medikamente geworben wird. Vor mir liegt die beliebte Illustrierte Health , rammelvoller Anzeigen mit dicken Lettern. »Warum nehmen Sie zwei Tabletten, wenn eine reicht? Prempro ist das einzige verschreibungspflichtige Präparat, das Premarin und ein Progestin in einer Tablette kombiniert«, lese ich, oder: »Allegra, das neue Allergiemedikament! Jetzt auf Rezept in Ihrer Apotheke! Und Sie können wieder unbeschwert hinaus.«
    Eine dritte Annonce fragt ziemlich keck: »Haben Sie schon einmal eine vaginale Hefepilzentzündung mitten in der Wildnis behandelt?« (Nicht daß ich wüßte!) Eine vierte steuert gleich auf das ökonomische Kernproblem der Sache zu. »Der Arzt hat mir gesagt, ich müßte wahrscheinlich für den Rest meines Lebens Blutdruckpillen nehmen«, erklärt uns der Kerl aus der Anzeige. »Schön daran ist, wieviel ich spare, seit er mir Adalat CG (Nifidipin) statt Procardia XL (Nifidipin) verschreibt.«
    Man soll also die Werbung lesen und dann seinen Arzt belabern (oder seinen Fachmann für Gesundheitsfragen), bis der einem das Gewünschte verordnet. Ich finde die Vorstellung komisch, daß Illu
    striertenleser entscheiden, welche Medizin am besten für sie ist. Aber offenbar sind Amerikaner in punkto Medikamenten sehr beschlagen. Denn die Werbung setzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher