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Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
Autoren: Lili St. Crow
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trank, wenn er unterwegs war. Andererseits kippte er das Zeug selbst dauernd, also würde er es gar nicht bemerken.
    Nach der Iris zeichnete ich schlichtere Formen: die Lampe auf meinem Nachttisch, das Bord, die Wandschranktüren. Dann skizzierte ich den Wäscheberg vor dem Wandschrank und achtete genau auf alle Schatten. Die Zahlen auf meinem Wecker wanderten immer weiter. Ich trank das zweite Glas Jimmy Beam mit einem Hauch Cola und schlief mit dem Stift in der Hand ein, so dass ich eine zackige Linie auf das neu aufgeschlagene Blatt meines Blocks malte.
    Als ich morgens aufwachte, war Dad noch nicht wieder zurück.

Intermezzo
    E r schritt einen langen Korridor entlang, vorsichtig einen Stiefel vor den anderen setzend. Der Zementboden war rissig und glitschig von dicken Rinnsalen und Pfützen aus etwas, das man lieber nicht benennen wollte. Dabei mied er die Risse wie ein Kind, das spielte, es dürfte nicht auf die Pflasterspalten treten, weil sonst der böse Geist kam.
    Ein Summen hatte in meinem Kopf angehoben. Ich wollte den Mund aufmachen, ihm sagen, dass er nicht weitergehen sollte, dass etwas Unsichtbares ihn ansah. Aber der Flur war so lang, und es war so anstrengend, bei dem Lärm in meinem Kopf zu denken. Sie hatten wahrlich ihren Spaß dabei, sich in meinem Schädel häuslich einzurichten, und das Summen breitete sich durch meine Knochen aus, als wäre ich auf ein unisoliertes Stromkabel getreten.
    Früher hatten mich solche Summträume nicht so oft heimgesucht. In letzter Zeit aber kamen sie etwa einmal im Monat, normalerweise kurz vor meiner Periode, wenn Krämpfe und wirre Träume Hand in Hand gingen. Doch dies hier war kein gängiger Summtraum, in dem ich über Dächer hinwegflog, noch nicht einmal einer von den ganz üblen, an deren Schluss ich in tiefer Dunkelheit versank und von ausgestopften Tieren umgeben war.
    Nein, dieser Traum war grellbunt. Ich konnte jedes einzelne Haar auf seinem Kopf sehen, die feinen Lavendelfäden in seinen blauen Augen, den Kragen seiner grünen Army-Jacke und jede Falte in seinen polierten Kampfstiefeln. Die Waffe, die er professionell lose in seiner Hand hielt, schimmerte matt.
    Über uns leuchtete fluoreszierendes Licht, dessen Gesurre sich mit dem idiotischen Krach in meinem Kopf vermengte. Deshalb konnte ich ja auch nicht sprechen, weil dieses Geräusch einfach alles zunichtemachte, was man hätte sagen können, ähnlich der Elektrostatik beim Fernseher, die über Stunden alles auffraß, was man dachte, so dass man bloß dasitzen und hinstarren konnte. Ein hirnaussaugendes Ding, das einem, nun ja, das Hirn auslutschte.
    Die Zeit verlangsamte sich, wurde ganz gedehnt und elastisch. Jeder Schritt brauchte ein Jahrhundert, und bis eine Tür zu sehen war – eine schlichte Stahltür, über der noch so eine lärmende Neonröhre hing –, krochen die brummenden Sirenen nicht mehr nur durch meine Glieder und mein Gehirn, sondern tapsten mir mit kleinen kneifenden Füßchen über die Haut.
    Da war etwas hinter dieser Tür, etwas, das nach Eisen und kalter Finsternis roch, ein eisiger Schauer, der einem über den Rücken lief. Es war dasselbe Gefühl, das ich in dem eingefallenen Haus außerhalb von Chattanooga gehabt hatte, bei meinem ersten Auftrag mit Dad, kurz bevor der Poltergeist begann, uns mit kleinen Glasscherben zu bewerfen, die sich schmatzend in die verrottete Trockenwand gruben.
    Oder wie in dem kleinen Nest in South Carolina, wo der örtliche Voodoo-König die Zombies vorbeischickte, weil Dad ihm das Geschäft versaute, indem er die Flüche brach, mit denen der König unliebsame Leute aus dem Weg räumte – oder solche, die ihm nicht freiwillig gaben, was er wollte. Ich hatte alles, aber auch wirklich alles eingesetzt, was Gran mir über das Brechen von Flüchen beigebracht hatte, und noch einige Sachen aus unseren Büchern, um ein paar der alten, üblen Flüche aufzuheben, und Dad hatte beim Kampf gegen die Zombies reichlich Blut verloren. Das war schlimm gewesen.
    Dieses Gefühl war schlimmer. Sehr viel schlimmer.
    Geh nicht da rein!, wollte ich sagen. Da drinnen ist etwas. Lass es!
    Er ging weiter, und das Summen wurde so arg, dass es alles aus mir herausrüttelte. Der Traum verlief wie farbige Tinte auf nassem Papier, und noch während er mir entglitt, bemühte ich mich, etwas zu sagen, irgendetwas, um ihn zu warnen.
    Er sah nicht einmal auf, schritt immer weiter auf die Tür zu, und der Traum schloss sich wie eine Kameralinse, bei der sich die
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