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Stirb

Stirb

Titel: Stirb
Autoren: Hanna Winter
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eine höhere Bedeutung beizumessen. »Dem Röntgenbild nach zu urteilen, ist Ihnen die Verletzung am Schlüsselbein eindeutig mit der Klinge eines Tranchiermessers zugefügt worden.« Sie atmete geräuschvoll ein. »Es besteht kein Zweifel, dass es sich um dasselbe Messer handelt, das auch bei anderen Opfern benutzt wurde.«
    Lara sah sie forschend an.
    »Anderen Opfern?« Sie brauchte einen Moment, ehe sie begriff, wovon die Polizistin sprach.
    »Bei dem Täter handelt es sich also um keinen Unbekannten«, erklärte Hausmann nach kurzem Zögern.
    Lara spürte einen Kloß im Hals.
    »Wovon um alles in der Welt sprechen Sie da?«
    »Davon, dass Sie gestern Nacht Bekanntschaft mit einem der gefährlichsten und meistgesuchten Serienmörder Deutschlands gemacht haben!« Hausmann beugte sich vor, wie um Laras Blick einzufangen. »Frau Simons, Sie sind die Einzige, die ihm je entkommen ist, und wir befürchten, dass er das nicht einfach so auf sich beruhen lassen wird.«
    Lara sank tiefer in den Sessel. Ihre Lippen bewegten sich, doch sie brachte keinen Laut heraus. Serienmörder? Großer Gott, in was bin ich da bloß hineingeraten! Unscharfe Bilder des Mannes im Taxi schossen ihr durch den Kopf. Wie er ihr das Messer an die Kehle gehalten hatte. Sie rieb sich die Schläfen und schloss einige Sekunden lang die Augen, als hoffte sie, die Polizisten hätten sich in Luft aufgelöst, sobald sie sie wieder öffnete. Und mit ihnen auch die schrecklichen Nachrichten. Doch Hausmann und Kern saßen unverändert auf der Couch. Die Hauptkommissarin ging ans Fenster und sah zur Straße hinunter, während sie mit ernster Miene erklärte, dass die ersten Morde bereits mehr als zwanzig Jahre zurücklägen.
    »Damals hat er seine Blutspur in ganz Berlin hinterlassen. Prostituierte, Studentinnen oder Frauen, die sich schlichtweg zur falschen Zeit am falschen Ort befunden hatten. Das Tranchiermesser, mit dem er sie nach tagelanger Folter tötete, war stets dasselbe – doch die Wahl seiner Opfer, die aus ganz unterschiedlichen sozialen Milieus kamen, erschien zunächst wahllos«, erklärte sie. »Aber nach und nach ergaben sich Indizien, die ein Muster erkennen ließen. Aber dazu komme ich noch …« Sie zog einen Umschlag mit Fotos aus ihrer Manteltasche.
    Die Bilder, typische Porträtfotos, wie sie auf Büroschreibtischen stehen, zeigten die Rechtsanwältin Patricia Braun, die Flugbegleiterin Ricarda Scholl sowie die im April getötete Krankenschwester Franziska Hoffmann. »Kommen Ihnen diese Frauen bekannt vor?«
    Lara schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter.
    »Die sind alle tot, nicht wahr? Ich habe in der Presse davon gelesen.« Der Anblick der ahnungslos in die Kamera lächelnden Frauen schnürte ihr beinahe die Brust zu.
    »Alle Opfer waren Anfang dreißig, von zierlicher Statur, höchstens ein Meter fünfundsechzig groß und hatten schulterlange hellbraune Haare«, schilderte Hausmann und musterte sie unverwandt.
    »Genau wie ich …«, sprach Lara in heiserem Flüsterton aus, was die Polizisten längst wussten. Und für einen Moment füllte ein beklemmendes Schweigen den Raum.
    Hausmann tauschte einen knappen Blick mit Kern, bevor sie mit ihrem Bericht fortfuhr.
    »Eine Zeitlang war es dann plötzlich still um den Trancheur geworden, wie wir ihn damals nannten. Über die Wochen und Monate, in denen keine neuen Opfer vermeldet worden waren, hatte die tagtägliche Nachrichtenflut den Fall auf die hinteren Seiten der Presse verbannt, und schließlich war er kaum mehr eine Zeile wert gewesen.« Sie holte tief Luft. »Insgeheim hatte wohl jeder gehofft, unser Freund hätte sich nach all den Jahren des Mordens endlich zur Ruhe gesetzt oder aber anderen ›Hobbys‹ zugewandt, die weniger Menschenleben forderten.« Mit einem gequälten Seufzer senkte sie ihren Blick auf die Fotos. »Was sich jedoch als fataler Irrtum herausgestellt hat.«
    Lara starrte ins Leere und hatte das Gefühl, im Sessel zu versinken. Sie dachte an Emma, an ihr Café, ihr neues Leben. Alles in Gefahr …
    »Wir gehen davon aus, dass der Täter Sie schon einige Zeit observiert hat und bereits wusste, wo Sie wohnen, bevor Sie ihm Ihre Adresse im Taxi genannt haben«, setzte Magnus Kern Hausmanns Bericht fort. »Diese Jungs dort …« – er trat ans Fenster und deutete mit dem Kinn auf den grauen BMW auf der anderen Straßenseite –, »… die werden Ihren Hauseingang vorerst im Auge behalten.«
    Resigniert nickte Lara.
    Sie sah, wie Kern seiner Kollegin
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