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Stille Gefahr #2

Stille Gefahr #2

Titel: Stille Gefahr #2
Autoren: Shiloh Walker
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Kehle drohte sich ein Schrei zu entringen.
    Sie unterdrückte ihn mit purer Willenskraft.
    Jetzt war nicht der Zeitpunkt, um zu schreien oder zu flennen.
    Tief im Herzen wollte sie immer noch glauben, dass sie sich irrten.
    Sie alle.
    Joely war nicht tot. Das konnte einfach nicht sein. Sie waren doch wie Schwestern, standen sich fast sogar noch näher.
    Die beiden stritten sich so gut wie nie. Sie waren beste Freundinnen, ein Herz und eine Seele. Auch wenn Nia sich die Hälfte des Jahres am anderen Ende des Landes aufhielt – oder außer Landes …
    Sie konnten sich irren. Sie alle – Bryson, Joelys Verlobter, der Nia nicht einmal begleiten wollte, um die Leiche zu identifizieren, die Polizei, die darauf beharrte, dass es sich um Joely handelte … alle. Sie alle konnten sich irren.
    Vielleicht war es nicht Joely.
    Aber wenn die tote Frau in dem Leichenschauhaus in Ash, Kentucky, nicht ihre Cousine war, wo steckte diese dann?
    Ihr Verlobter hatte sie schon seit über einem Monat nicht gesehen.
    Sie ging nicht ans Handy, beantwortete keine E-Mails.
    Sie war wie vom Erdboden verschluckt.
    Nein … sie ist nicht vom Erdboden verschluckt worden. Während du im Ausland warst, lag sie die ganze Zeit tot im Kühlraum des Leichenschauhauses, du egoistisches Miststück.
    Niemand war dort gewesen, weil die Polizei sich immer erst an die Familie wandte. Obwohl Bryson eigentlich auch darauf hätte bestehen sollen, hinzufahren, vor allem da man Nia nicht hatte erreichen können. Nicht im Lande – verflucht .
    Sie war nicht da gewesen, während man ihre Cousine entführt hatte, war nicht da gewesen, während sie ermordet wurde, sie war die ganze Zeit über nicht da gewesen, und deswegen hatte man Joely wie ein Stück Dreck behandelt.
    Nia war nicht da gewesen. Oh Gott … Tränen brannten ihr in den Augen. Fast drei Wochen lang hatte niemand sie erreichen können. Joely kannte ihre Telefonnummer, aber sie hatte sie wohl nicht an ihren Verlobten weitergegeben.
    Erschöpfung und Trauer nahmen Nias Schritten das Tempo, während sie ihren kleinen Trolley durch den Flughafen hinter sich herzerrte. Wer wie sie seit Jahren aus dem Koffer lebte, reiste nur noch mit leichtem Gepäck und so hatte sie nichts Größeres aufgegeben. Ihre restlichen Sachen würden per Post in ihrer Wohnung in Williamsburg eintreffen.
    Sie musste dringend einen Waschsalon ausfindig machen, aber dieses Problem konnte warten.
    Im Augenblick brauchte sie erst einmal einen Leihwagen. Also: Wagen leihen! Dann musste sie …
    Vor einem Werbeplakat in fröhlichen Farben blieb sie stehen, es zeigte ein fuchsfarbenes Pferd, das über eine grüne Wiese galoppierte. Wie betäubt starrte sie für einen langen Moment darauf, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte.
    Leihwagen. Ash, Kentucky. Dort musste sie hin. Sie musste …
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    Nia zuckte zusammen. Da erst merkte sie, dass sie einen der Sicherheitsleute mit leerem Blick angestarrt hatte. Blinzelnd sah sie sich um. Sie wusste weder, wo sie war, noch, wie sie hierhergekommen war.
    Der Wachmann musterte sie, seine Miene spiegelte eine merkwürdige Mischung aus Besorgnis und Misstrauen wider. »Geht es Ihnen gut?«
    Nia schluckte trocken. Dieser Kloß in ihrem Hals schwoll zu einer gewaltigen Größe an, und plötzlich stand sie wieder kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Ich … hatte ein paar anstrengende Tage.«
    »Sieht ganz so aus.« Er deutete mit dem Kopf zur Seite. »Sie haben geschlagene fünf Minuten mitten in der Halle gestanden. Wo möchten Sie denn hin? Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen.«
    Nia presste sich die Handballen gegen die Schläfen. Verflucht.
    Der Schmerz in ihrer Brust wurde schlimmer.
    Ash – sie musste nach Ash, wo auch immer das lag.
    Aber wenn sie schon wie ein Zombie auf dem Flughafen herumstand, dann sollte sie sich vielleicht besser nicht hinter das Steuer eines Wagens setzen. Bei der Erkenntnis lief Nia ein kalter Schauer die Wirbelsäule hinunter, und sie seufzte. »Ich brauche ein Taxi zu meinem Hotel«, antwortete sie schließlich.
    Ash musste bis zum nächsten Morgen warten.
    Der Gedanke missfiel ihr zwar, aber selbst im Zustand der Trauer überwog ihr Pragmatismus. Ausgelaugt wie sie war, wäre es der reinste Selbstmord, Auto zu fahren. Auch wenn sie dringend nach Ash wollte, gegen sich selbst kam sie nicht an.
    Und vielleicht hatte sie ja noch Glück … und würde beim Aufwachen feststellen, dass das Ganze nur ein schrecklicher Albtraum gewesen
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