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Sternwanderer

Titel: Sternwanderer
Autoren: Neil Gaiman
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und mich. Wir hätten wieder jung sein können, gut und gern bis ins nächste Zeitalter hinein. Dein Junge wird es brechen, er wird es achtlos behandeln oder gar verlieren. Das tun sie doch alle.«
    »Trotzdem«, entgegnete der Stern, »trotzdem gehört es ihm. Ich hoffe, Eure Schwestern werden nicht allzu böse auf Euch sein, wenn Ihr ohne es zurückkehrt.«
    In diesem Augenblick kam Tristran über die Wiese zurück und ging auf Yvaine zu. Er nahm ihre Hand und nickte der alten Frau kurz zu. »Es ist alles geklärt«, sagte er. »Und alles in Ordnung.«
    »Und die Sänfte?«
    »Oh, Mutter wird per Sänfte reisen. Ich mußte ihr versprechen, daß wir früher oder später nach Stormhold kommen, aber wir können uns unterwegs ruhig Zeit lassen. Ich denke, wir sollten zwei Pferde kaufen und uns die Sehenswürdigkeiten anschauen.«
    »Und deine Mutter war damit zufrieden?«
    »Zu guter Letzt schon«, antwortete er heiter. »Übrigens – tut mir leid, euch unterbrochen zu haben.«
    »Wir sind fast fertig«, meinte Yvaine und wandte sich wieder an die alte Frau.
    »Meine Schwestern werden hart und grausam zu mir sein«, sagte die alte Hexenkönigin. »Aber ich weiß deine Freundlichkeit zu schätzen. Du hast ein gutes Herz, Kind. Schade, daß ich es nicht kriegen kann.«
    Der Stern beugte sich herab und küßte die alte Frau auf ihre faltige Wange und spürte, wie die Haare darauf ihre weichen Lippen kratzten.
    Dann wanderten die Sternfrau und ihr Geliebter davon in Richtung Mauer. »Wer war die Alte?« wollte Tristran wissen. »Sie kam mir irgendwie bekannt vor. War irgendwas los?«
    »Aber nein«, antwortete sie. »Ich kannte sie von unterwegs.«
    Hinter ihnen lagen die Lichter des Markts, die Laternen und Kerzen und Hexenlichter und der Feenglimmer, wie ein Traum des Nachthimmels, der auf die Erde gekommen war. Vor ihnen auf der anderen Seite der Wiese, auf der anderen Seite der Mauerlücke, lag das Dorf Wall. Öllampen und Gaslaternen und Kerzen schimmerten in den Fenstern der Häuser. Für Tristran erschienen sie so fern und unerforschlich wie die Welt aus Tausendundeiner Nacht.
    Er blickte über die Lichter von Wall und wußte plötzlich mit absoluter Sicherheit, daß es das letzte Mal sein würde. Eine Weile starrte er sie schweigend an, die Sternschnuppe dicht neben ihm. Dann drehte er sich um, und gemeinsam wanderten sie gen Osten.

EPILOG
     
    In dem es mehrere Enden gibt
     
     
     
    Manche hielten den Tag, an dem Lady Una – seit langem verschwunden und totgeglaubt (eine Hexe hatte sie als Kind gestohlen) – ins Bergland zurückkehrte, für einen der wichtigsten in der Geschichte von Stormhold. Noch Wochen nachdem die Sänfte in einer von drei Elefanten angeführten Prozession eingetroffen war, gab es Feste und Feuerwerk und (offizielle und inoffizielle) Vergnügungen.
    Die Freude der Einwohner von Stormhold und seinen Herrschaftsgebieten erreichte einen bis dato unbekannten Höhepunkt, als Lady Una verkündigte, sie habe einen Sohn geboren, der, da ihre beiden letzten Brüder nicht auffindbar und höchstwahrscheinlich tot waren, der nächste Thronerbe sei. Genaugenommen, so erklärte sie dem Volk, trage er bereits die Macht von Stormhold um den Hals.
    Schon bald würden er und seine Braut hier eintreffen, nur könne Lady Una leider das genaue Datum ihrer Ankunft nicht angeben. Das schien sie ziemlich zu ärgern. Sie verkündete ferner, daß sie in der Zwischenzeit Stormhold selbst regieren werde. Was sie auch tat, und zwar sehr gut, und in den Gebieten auf und um Mount Huon lebten ihre Untertanen glücklich und in Wohlstand.
    Drei Jahre später trafen zwei Wanderer im Städtchen Cloudsrange in der Niederung am Rand von Stormhold ein, müde und staubig von der Reise. Sie mieteten ein Zimmer in einem Gasthaus und ließen sich heißes Wasser und eine Zinnwanne zum Baden bringen. Sie blieben einige Tage und unterhielten sich mit den anderen Gästen. Am letzten Abend ihres Aufenthalts sah die Frau, deren Haar so hell war, daß es fast weiß wirkte, und die beim Gehen ein klein wenig hinkte, den Mann an und sagte: »Nun?«
    »Tja«, meinte er, »Mutter scheint ihre Sache beim Regieren hervorragend zu machen.«
    »Du würdest es ebensogut können wie sie, wenn du den Thron übernehmen würdest«, erwiderte sie ein wenig spitz.
    »Vielleicht«, räumte er ein. »Und es scheint ja auch eine ganz nette Gegend zu sein. Aber es gibt noch so vieles, was wir nicht gesehen haben. So viele Leute, die wir noch kennenlernen
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