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Stern ohne Himmel

Stern ohne Himmel

Titel: Stern ohne Himmel
Autoren: Leonie Ossowski
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ganz links gehen, sonst können Nagolds deine Schritte hören. Am Ende geht es ein paar Stufen hinunter. Da kannst du dich in der Dachschräge zwischen den Balken verstecken.«
    »Kommt dort niemand hin?«
    »Nein. Jetzt, wo geschossen wird, geht keiner rauf.«
    Zick wollte sich gerade wieder umdrehen, als Abiram ihn zurückhielt.
    »Kommt ihr wieder?«
    »Ja, wir kommen. Ich weck Antek. Der wird schon wissen, wie wir es machen. Du brauchst dich nicht zu fürchten!«
    Zick hing seinen Oberkörper über das Geländer und rutschte hinunter, während Abiram hinter der Dachbodentür verschwand.
    Willi hatte trotz Zicks Abwesenheit ein paar Minuten geschlafen. Als Zick vorsichtig über ihn hinüberstieg, winkte er nur zum Zeichen, dass er Zicks Rückkehr bemerkt hätte. Dann wälzte er sich zur Seite. Sein rundes Gesicht lag mit halb geöffneten Lippen auf dem Kissen. Er schlief.
    Zick kroch aus seinem Bett und schlüpfte unter die Decke des schlafenden Anteks. Der war sofort wach. Atemlos flüsterte ihm Zick ins Ohr, dass er Abiram getroffen und ihn auf dem Dachboden versteckt hatte.
    Willi wachte nicht auf, als Antek Paule weckte, und er wachte nicht auf, als die drei Jungen sich anzogen. Selbst als der Schnürsenkel von Paules Stiefel riss und sein Ellbogen dumpf gegen die Kante des Bettes schlug, grunzte Willi nur.
    Antek stieß Paule an. Wer sollte den Versuch machen, als Erster über Willi wegzusteigen? Paule zeigte Antek eine Faust, dann auf Willis Kinn. Antek kniete sich neben Willi. Falls dieser aufwachte, würde er ihn mit einem gezielten Kinnhaken wieder in den Schlaf zurückbefördern. Als jetzt Paule über Willi hinwegstieg, war nur das Atmen der vier Jungen zu hören. Dann ging alles schnell. Antek schloss als Letzter die Tür.
    Schnell waren sie auf dem Dachboden. Nach kurzem Suchen entdeckten sie Abiram. Sie gaben sich nicht die Hand, sie hatten auch keinen Gruß für Abiram. Sie setzten sich neben ihn auf den Balken.
    »Erzähl, wie bist du hierher gekommen?«
    Abiram erzählte.
    »Das war Kimmich«, sagte Antek, als Abiram von dem Mann mit den weißen Haaren sprach, der seinen Namen wusste.
    »Dann hat Ruth doch gequatscht«, meinte Paule.
    »Vielleicht hat Willi gedroht«, sagte Antek.
    »Vielleicht!«
    Antek drückte einen Ballen Staub in seiner Hand zusammen.
    »Kimmich war unsere einzige Hoffnung«, sagte er und ließ das Kügelchen auf einen schrägen Balken rutschen.
    »Der ist ja jetzt selber in Gefahr«, sagte Paule.
    Abiram nickte.
    »Ich weiß noch eine Möglichkeit«, sagte Antek gedehnt.
    »Was?«
    Zick rückte näher.
    »Ich geh zu Nagold!«
    Paule winkte ab. »Der …«
    »Ich hab ihn immer gern gehabt. Er wird helfen, wenn ich zu ihm gehe.«
    »Du weißt doch, wie blöd er sich benommen hat, als wir damals zu spät gekommen sind«, wehrte Paule ab.
    »Das war etwas anderes. Wir haben ihm bloß nicht getraut und deshalb ist er böse geworden.«
    »Und wenn’s schief geht?«, wisperte Zick.
    »Er hat Recht«, sagte Abiram, »es ist gefährlich, was Antek vorhat.«
    Antek wollte nichts davon hören.
    »Ich geh zu ihm, bevor das Haus wach ist. Ihr bleibt oben. Keiner verlässt den Dachboden, bis ich wieder hier bin!«
    Er wartete keine Zustimmung ab, sondern machte sich gleich auf den Weg, während die anderen mit klopfenden Herzen zwischen den Balken und Dachschindeln zurückblieben.
    Antek hatte sich sein Vorgehen überlegt. Es war am besten, Nagold mit hinaufzunehmen und ihn vor die vollendete Tatsache zu stellen. Antek glaubte, dass er ihnen in dieser bedrohlichen Situation irgendwie helfen würde.
    »Ist was passiert, Antek?«, fragte Nagold voller Unruhe, als Antek so aufgeregt an seiner Tür stand.
    »Ja, Herr Nagold. Es hängt mit unserer Verspätung zur Chorprobe und mit Dressler zusammen. Wollen Sie uns helfen?«
    Nagold fühlte durch Anteks Frage gleich die Gefahr. Sein Inneres wehrte sich mit aller Kraft. Was wollte man noch von ihm, hatte er nicht genug geleistet? Und was ging ihn der Kommunist Dressler an?
    Endlich sagte Nagold: »Was willst du?«
    »Ich möchte Sie bitten mitzukommen!«
    Nagold umkrampfte die Klinke. Es zuckte ihm in der Hand, die Tür hinter dem Jungen zuzuwerfen. Was ging ihn das alles an?
    Antek drehte sich um. »Kommen Sie?«
    Nagold humpelte ohne eine weitere Frage hinter Antek die Treppe hinauf, über den staubigen, kahlen Dachboden hinweg, bis hinten in die Winkel des Gebälks, wo er Paule, Zick und einen fremden, schwarzhaarigen Jungen fand. Sie
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