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Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half)
Autoren: Stephen King
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hoch, als Thad aufstand und zum Bleistiftanspitzer ging, dann senkte er den Blick wieder. Thad spitzte einen der Berols rasiermesserscharf an. Und während er Stark den Rücken zuwendete, holte er die Lockpfeife, die Rawlie ihm gegeben hatte, aus der Tasche. Er verbarg sie in seiner Hand, setzte sich wieder hin und betrachtete das vor ihm liegende Notizbuch.
    Das war es; das war der richtige Zeitpunkt. Er wußte es so gut und sicher, wie er die Form seines eigenen Gesichts unter seiner Ha kannte. Die einzige noch offene Frage war, ob er den Mut aufbrachte zu versuchen.
    Ein Teil von ihm wollte es nicht; einem Teil von ihm war nach wie vor an dem Buch gelegen. Aber er stellte ein wenig überrascht fest, daß dieses Gefühl längst nicht mehr so stark war wie vorhin, als Liz und Alan das Arbeitszimmer verlassen hatten, und er glaubte zu wissen, warum das so war. Eine Trennung ging vor sich.
    Eine Art obszöner Geburt. Es war nicht mehr sein Buch. Alexis Machine hatte sich der Person angeschlossen, zu der er von Anfang an gehört hatte.
    Mit der in der fest verschlossenen linken Hand verborgenen Lockpfeife beugte Thad sich über sein eigenes Notizbuch.
    Ich bin es, der sie kommen läßt, schrieb er.
    Über ihm hörten die rastlosen Bewegungen der Vögel auf.
    Ich bin es, der von ihnen weiß, schrieb er.
    Die ganze Welt schien stillzustehen, zu lauschen.
    Ich bin es, dem sie gehören.
    Er hielt inne, warf einen Blick auf seine schlafenden Kinder.
    Noch vier Worte, dachte er. Nur noch vier Worte.
    Und er stellte fest, daß ihn nach diesen Worten mehr verlangte als nach allen, die er je in seinem Leben geschrieben hatte.
    Ihn verlangte danach, Geschichten zu schreiben - aber stärker als danach, stärker als nach den herrlichen Visionen, die jenes dritte Auge ihm manchmal zeigte, verlangte ihn danach, frei zu sein.
    Noch vier Worte.
    Er führte die linke Hand zum Mund und ergriff die Lockpfeife mit den Lippen wie eine Zigarre.
    Schau jetzt nicht auf, George. Schau nicht auf aus der Welt, die du dir erschaffst. Nicht jetzt. Bitte, lieber Gott, laß ihn jetzt nicht aufschauen in die Welt der wirklichen Dinge.
    Auf das leere Blatt vor ihm schrieb er in Großbuchstaben das Wort PSYCHOPOMPEN. Er kreiste es ein. Er zeichnete darunter einen Pfeil, und unter den Pfeil schrieb er: DIE SPERLINGE FLIEGEN.
    Draußen begann ein Wind zu wehen - aber es war kein Wind, es war das Aufplustern von Millionen von Federn.
    Und es geschah in Thads Kopf. Plötzlich öffnete sich in seinem Denken jenes dritte Auge, öffnete sich weiter als je zuvor, und er sah Bergenfield, New Jersey - die leeren Häuser, die leeren Straßen, den milden Frühlingshimmel. Er sah Sperlinge überall, mehr, als jemals zuvor dagewesen waren. Die Welt, in der er aufgewachsen war, war zu einem riesigen Vogelhaus geworden.
    Aber es war nicht Bergenfield.
    Es war Endsville.
    Stark hörte auf zu schreiben. Seine Augen weiteten sich in plötzlicher, zu später Bestürzung.
    Thad holte tief Luft und blies. Die Lockpfeife, die Rawlie DeLesseps ihm gegeben hatte, erzeugte einen seltsam quietschenden Ton.
    »Thad? Was tust du? Was tust du?«
    Stark griff nach der Lockpfeife. Bevor er sie berühren konnte, gab es einen Knall, und sie zersprang in Thads Mund und zerschnitt ihm die Lippen. Das Geräusch weckte die Zwillinge. Wendy begann zu weinen.
    Draußen wuchs das Rauschen der Sperlinge zu einem Dröhnen an. Sie flogen.

2
    Als Liz Wendy weinen hörte, war sie zur Treppe hinübergestürzt. Alan blieb einen Moment stehen, wo er war, wie gebannt von dem, was er draußen sah. Das Land, die Bäume, der See, der Himmel - alles war ausgelöscht.
    Die Sperlinge erhoben sich wie ein riesiger, schwankender Vorhang, sie verdunkelten die Fensterwand von oben bis unten und von einer Seite zur anderen.
    Als die ersten kleinen Leiber gegen das Isolierglas zu prallen begannen, löste sich Alans Lähmung. »Liz!« schrie er. »Liz, hinlegen!«
    Aber sie dachte nicht daran, sich hinzulegen; ihr Kind weinte, und das war alles, woran sie denken konnte.
    Alan sprintete durch den Raum auf sie zu, bediente sich der ganzen unwahrscheinlichen Gewandtheit, die sein Geheimnis war, und bekam sie genau in dem Augenblick zu fassen, als das Glas der Fensterwand unter dem Gewicht von zwanzigtausend Sperlingen nachgab. Weiten zwanzigtausend folgten ihnen - und noch einmal zwanzigtausend und noch einmal zwanzigtausend. Binnen Sekunden war das ganz« Wohnzimmer voll von ihnen. Sie waren überall.

    Alan warf
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