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Stalingrad

Stalingrad

Titel: Stalingrad
Autoren: Viktor Nekrassow
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durchgeistigten Fingern die Pfeife und stößt energisch kurze Rauchwolken aus. Mit zugekniffenen Augen blickt er Schirjajew an.
    »Was hast du zur Verfügung, Bataillonskommandeur?«
    Schirjajew zieht seine Feldbluse zurecht.
    »Kampffähige Leute – siebenundzwanzig Mann. Im ganzen, mit Fahrern und Kranken – etwa fünfundvierzig Mann.«
    »Bewaffnung?«
    »Zwei ›Maxims‹, drei ›Degtjarjows‹. Zweiundachtziger Granatwerfer – zwei.«
    »Granaten?«
    »Etwa hundert Stück.«
    »Und Fünfziger?«
    »Nicht eine einzige. Auch Patronen gibt’s wenig. Zwei Bänder für jedes schwere Maschinengewehr und fünf bis sechs Patronentrommeln für jedes leichte.«
    Schirjajew spricht ruhig, gemächlich. Man merkt, daß er erregt ist, aber er bemüht sich, es zu verbergen. Es ist angenehm, ihn anzusehen. Enggeschnallter Gurt, breite Schultern, kräftige Waden. Die Hände an der Hosennaht leicht zu Fäusten geballt. Aus dem geöffneten Kragen blickt ein Dreieck seines blauen Sporthemdes hervor. Merkwürdig, daß Maximow keinen Anstoß daran nimmt.
    »Sooo …« Maximow packt die Karte in die Kartentasche zurück, nachdem er sie sorgfältig zusammengefaltet hat. Klar … Mit dir bleibt der Ingenieur Kershenzew zurück. Verstanden? Haltet euch zwei Tage. Am achten, bei Einbruch der Dunkelheit, beginnt ihr den Rückzug.«
    »Auf derselben Marschroute?« fragt beherrscht Schirjajew. Er wendet kein Auge von Maximow.
    »Auf derselben. Wenn ihr uns nicht trefft … Nun, du weißt dann selbst, was du zu tun hast. Das ist alles.«
    Schirjajew nickt verständnisvoll. Alle schweigen. Jemand, ich glaube Kappel, holt stockend Atem.
    »Ich habe gesagt – alles!« Maximow dreht sich ruckartig nach ihm um. »Auf die Plätze!«
    »Sollen die Leute gleich zusammengezogen werden?« fragt der kurzsichtige Kommandeur des dritten Bataillons, der wie ein Gelehrter aussieht.
    Maximows blasses Gesicht läuft rot an.
    »Sind Sie an der Front oder wo? Wollen Sie, daß alle Leute umkommen? Wozu haben Sie denn einen Kopf auf den Schultern? …«
    Alle stehen auf und schütteln den Sand und das Gras ab.
    »Und Sie kommen zu mir herein.«
    Das bezieht sich auf Schirjajew und mich.
    Im Unterstand ist es eng und feucht, es riecht nach Erde. Auf dem Tisch liegt der Plan unserer Verteidigungsanlagen. Meine Arbeit. Den ganzen Morgen habe ich daran gearbeitet, habe mich beeilt, um ihn dem Divisionsstab zu schicken. Der Termin war auf zwanzig Uhr festgesetzt.
    Maximow legt sorgfältig die Blätter aufeinander, daß Ecke auf Ecke liegt, und reißt sie dann in Stücke. Die Schnipsel zündet er an der Petroleumlampe an. Das Papier krümmt sich und verkohlt.
    »Der Deutsche steht bei Woronesh«, sagt er dumpf und zertritt mit der Stiefelspitze die zarte Asche. »Seit gestern abend …«
    Wir schweigen.
    Maximow holt unter dem Tisch eine mit Tuch überzogene Aluminiumflasche mit abschraubbarem Becher hervor. Wir trinken der Reihe nach aus dem Becher. Kräftiger sechzigprozentiger Branntwein. Er schnürt einem die Kehle zu. Wir essen saure Gurken und trinken dann jeder noch einen vollen Becher. Maximow reibt sich lange mit zwei Fingern die Nasenwurzel.
    »Hast du einundvierzig den Rückzug mitgemacht, Schirjajew?«
    »Jawohl, von der Grenze an.«
    »Von der Grenze an … Und du, Kershenzew?« »Ich? Nein … Ich war bei einem Ersatzregiment.« Maximow kaut zerstreut an der Gurke.
    »Die Sache steht im ganzen schlecht. Wir werden einer Einkreisung kaum entgehen.« Er blickt Schirjajew fest ins Auge.
    »Sei sparsam mit der Munition … Wirst hier diese zwei Tage liegenbleiben müssen – schieß nicht viel, nur so zum Schein. Laß dich auch auf kein Gefecht ein. Such uns, suche, suche … Irgendwo wirst du uns schon finden. Wenn nicht in Nowo-Belenkaja, dann dort in der Nähe. Aber denke daran, und auch du, Kershenzew«, er blickt mich streng an. »Bis zum achten nicht vom Fleck weichen. Verstanden? Und wenn die Erde unter euch wanken sollte. Der Major hat ausdrücklich gesagt: ›Laß Schirjajew da, und gib ihm Kershenzew zur Hilfe.‹ Das hat er nicht umsonst gesagt. So … Was willst du mit dem Troß machen?«
    Schirjajew lächelt:
    »Zum Teufel mit dem Troß. Nehmt ihn mit! Ich behalte nur drei Fahrzeuge für die Munition hier. Und selbst das ist zuviel.«
    »Gut, wir nehmen ihn mit.«
    In den Unterstand schaut ein Schreiber aus dem Stab herein, ein Sergeant, schlapp, einem Kastraten ähnlich. Er fragt, was mit dem grünen Kasten geschehen soll, ob man ihn
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