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Stadt, Land, Kuss

Stadt, Land, Kuss

Titel: Stadt, Land, Kuss
Autoren: Cathy Woodman
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»Warten Sie vielleicht auf den hier?«
    »Danke.« Emma nimmt den Brief und wendet sich ab, um ihn zu lesen.
    »Das scheinen ja gute Neuigkeiten zu sein«, sagt Frances und heuchelt Überraschung, als sich Emma mit einem strahlenden Lächeln wieder umdreht.
    »Puh, das ist noch einmal gut gegangen«, entgegnet Emma mit einem Seufzen. »Ich bin aus dem Schneider. Es wird kein Verfahren geben.« Sie steckt den Brief in die Tasche. »Vor einiger Zeit hatte ich eine kranke Katze hier. Ich habe mit dem Besitzer einen neuen Termin vereinbart, um ein paar Tests durchzuführen, aber weil ich zu dem Zeitpunkt so viel zu tun hatte, musste er ein paar Tage warten, und dreimal darfst du raten, zu wem er sie in der Zwischenzeit gebracht hat. Der alte Fox-Gifford diagnostizierte Nierenversagen und hat dem Besitzer eingeredet, ich hätte fahrlässig gehandelt, also musste ich Kontakt mit der Rechtsschutzabteilung der Vet Defence Society aufnehmen und die Fragen des Royal College beantworten.« Ich wette, Emma hat sich deswegen tagelang Sorgen gemacht, denke ich, während sie hinzufügt: »Auf den zusätzlichen Stress hätte ich gern verzichtet.«
    »Ich bin mir sicher, das war alles bloß ein Missverständnis«, bemerkt Frances, woraufhin Emma, die gerade mit dem Rücken zu ihr steht, eine Augenbraue hochzieht.
    »Komm mit nach hinten. Es ist noch Kaffee da, und ich habe es tatsächlich geschafft, mich zu beherrschen und dir einen Doughnut übrig zu lassen.« Sie nimmt mich beim Arm, und ich begleite sie durch den Flur in den hinteren Bereich der Praxis.
    »Hast du gemerkt, dass Frances deine Post bereits geöffnet hatte?«, frage ich auf dem Weg dorthin.
    »Ja, sie öffnet alle Briefe, das spart Zeit.«
    »Aber sie liest sie auch. Ich habe sie gesehen«, ergänze ich, was Emma zu überraschen scheint. »Sag mal, ist diese Frances nicht ein bisschen zu schroff für den Empfang?«
    »Kann sein, doch sie versteht etwas von ihrem Job.« Emma grinst. »Ich weiß, es entspricht nicht gerade dem hehren Berufsethos, aber ich konnte sie vor ein paar Monaten von Talyton Manor weglocken. Sie arbeitete schon seit Jahren dort.«
    »Und du glaubst nicht, dass die Fox-Giffords sie absichtlich hier eingeschleust haben?«
    »Nein.« Emma denkt einen Moment nach. »Ganz bestimmt nicht. Sie sind wirklich eine Plage, allerdings hatte diesmal ich die Nase vorn. Frances liest vielleicht meine Post und weigert sich, die einheitliche Praxiskleidung zu tragen, weil Blau ihr angeblich nicht steht. Außerdem hält sie die Fox-Giffords nach wie vor für die Größten, dafür kennt sie einfach jeden in der Stadt und weiß immer, was los ist – und das kann sehr nützlich sein.«
    Ich habe das Gefühl, dass Frances Emma mit mehr Respekt behandelt, als ich je von ihr erwarten darf. Ich bin die Fremde, die Neue, wohingegen Emma, abgesehen von den paar Jahren in Cambridge und anschließend in Southampton, wo Ben seine Spezialisierung zum Hausarzt absolvierte, fast ihr gesamtes Leben in Talyton verbracht hat.
    »Komm, ich stelle dich den anderen vor. Ach, Unsinn, Nigel ist ja gar nicht da – er kommt nur ein, zwei Mal in der Woche.« Emma legt eine Hand vor den Mund und kichert. »Ich höre gar nicht mehr auf zu schwatzen, was?«
    »Wie ein kleiner Vogel«, antwortet eine Stimme vom anderen Ende des Raums. Eine Frau, die genau wie Emma marineblaue Praxiskleidung trägt, bringt einen weißen Drahtkorb zum Behandlungstisch. Ihre blasse Haut ist mit Sommersprossen gesprenkelt, und silberne Strähnen durchziehen ihr kurz geschnittenes, rötlich braunes Haar. Sie sieht aus wie Ende zwanzig, aber von Emma weiß ich, dass sie zweiundvierzig ist.
    »Du kennst Izzy schon, nicht wahr?«, fragt Emma.
    Wir haben uns vor über drei Jahren bei der Eröffnungsfeier von Emmas Praxis kennengelernt. Ich erinnere mich, dass sich Izzy mit Pimm’s und Limonade nach und nach einen Schwips angetrunken hat und im Nachhinein behauptete, sie habe gar nicht gemerkt, dass Alkohol in ihren Drinks gewesen sei. Darum wirkt sie jetzt wahrscheinlich auch etwas scheu und begrüßt mich mit einem nervösen »Hallo«.
    »Was machen wir als Nächstes?«, will sie von Emma wissen.
    »Ich wollte mit Maz im Personalraum noch schnell einen Kaffee trinken, ehe ich hier weitermache.«
    »Oh, ich will dich nicht von etwas Wichtigerem abhalten«, mische ich mich hastig ein. Mein Blick fällt auf die chirurgischen Instrumente neben dem Becken und die schmutzigen Abdecktücher im Eimer auf der
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