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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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für einen Fachmann, sondern für »irgendjemanden, der bereit war, mit uns über diesen Unsinn zu reden«. Oder, wie der Medien- und/oder Internetexperte Stefan Niggemeier in der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« schrieb: »Wer solche Experten kennt, braucht keine Laien.«

Exzellenzinitiative
    Neusprech ist die Kunst, von Schwächen abzulenken oder, noch besser, sie als Stärken zu verkaufen. Besonders funkelnde Wörter sollten daher stutzig machen. So wie die Exzellenzinitiative , sie gleißt geradezu: Exzellent sind nur überragend gute Dinge. Eine Initiative außerdem ist entweder ein Anstoß, der Beginn von etwas Neuem. Oder sie ist, wie in Bürgerinitiative, ein Zusammenschluss von vielen, um gemeinsam ein höheres Ziel zu erreichen. Was also will die Exzellenzinitiative ? Soll sie ein erster Schritt sein, um zu erreichen, dass deutsche Universitäten wahnsinnig gut werden? Oder soll sie diverse, in ihren Fachgebieten führende Forscher zusammenbringen, damit sie gemeinsam etwas Neues, noch nie Dagewesenes schaffen? Der Begriff selbst verrät es nicht. Was unter Umständen die Absicht seiner Erfinder war. Denn wer sich die Idee der Exzellenzinitiative anschaut, kommt schnell dahinter, dass es hier um etwas anderes geht, um Mangelverwaltung. 1,9 Milliarden Euro hatte der Staat übrig und wollte damit die Universitäten vier Jahre lang fördern. Bekäme jede Hochschule etwas, beschränkte sich die Förderung auf ein paar neue Drucker und vielleicht noch hier und da eine Mikrofonanlage für den Hörsaal. Da das nicht sonderlich funkelt und nicht zum Angeben taugt, entstand bei Politikern die Idee der Exzellenzinitiative : Wenige bekommen viel und sehen damit gut aus, der Rest soll sehen, wo er bleibt. Verzeihung, die anderen sollen das natürlich als Ansporn betrachten. Das hat den Vorteil, dass sich mit den Auserwählten prima protzen lässt. Auch wenn es in der Summe natürlich noch immer nicht viel bringt, schon gar nicht für alle. Zu wenig Geld ist eben zu wenig Geld, egal, wie es verteilt wird. Siehe auch →   Leuchtturmprojekt .

F
    Fahrzeitverlängerung
    Begriff der Deutschen Bahn AG, daher Bahnsprech und ein Präzisismus. Die Verschleierung wird hier durch eine sachlich korrekt wirkende Umschreibung erreicht, die aber den eigentlichen Wortsinn der Verspätung nicht mehr enthält beziehungsweise ihn ins Gegenteil verkehrt. Denn die Fahrzeitverlängerung erweckt nicht mehr die Konnotation, ein Versäumnis der Bahn zu Lasten der Fahrgäste zu sein. Sie hinterlässt vielmehr den Eindruck, als bekämen Reisende mehr für ihr Geld, als ihnen eigentlich zusteht. Was (garantiert unfreiwillig) offenlegt, warum die Bahn so ungern Vergütungen und Entschädigungen zahlt, wenn ihre Züge zu spät kommen: Sie findet offensichtlich, der Kunde habe für die längere Nutzung des Bahnmaterials eigentlich einen Zuschlag zu zahlen. Fahrzeitverlängerung wird gern auch im Plural verwendet: Fahrzeitverlängerungen wirken so viel harmloser als die Verspätungen, die in der Mehrzahl schnell an einen systematischen Fehler denken lassen.

Fehler, handwerkliche
    Dass die Verwendung des Plurals bisweilen eine abschwächende, ja sogar euphemistische Wirkung haben kann, zeigen die →   Zwänge , die etwas völlig anderes sind als ein Zwang. Ähnlich verhält es sich mit Adjektivierungen. Fehler können jedem unterlaufen, sie sind, gerade in der Mehrzahl, Teil des Lebens. Und das Handwerk ist gar der Inbegriff der Möglichkeit zu scheitern. Wer mit seinen Händen wirkt, wer hämmert, sägt, schleift, schraubt, der kann abrutschen – je fester er zupacken will, desto eher. Das ist verzeihlich, ja unvermeidlich. Nur wer übt, wer Fehler macht und neu probiert, kann lernen und besser werden. Handwerkliche Fehler jedoch sind nichts dergleichen, sie sind Schlamperei und Beleg dafür, dass jemand sein Handwerk nicht beherrscht. Einen Gefallen also tat sich ein damaliger Minister nicht, als er im Zusammenhang mit seiner plagiierten Doktorarbeit von eben solchen handwerklichen Fehlern sprach. Bedeutete es doch, dass er keine Ahnung von dem Handwerk des Doktorarbeitschreibens hatte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es unverfroren ist, eine moralische Verfehlung und ein im Zweifel auch strafrechtlich relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten als Fehler, als Kleinigkeit also kaschieren zu wollen und sich dabei noch mit einem schwer arbeitenden Handwerker zu vergleichen.

Feindstrafrecht
    Das hat sich der deutsche
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