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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition)
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Mädchen in unserer Klasse kann dich leiden!«
    Ich gab ihr mit aller Kraft eine schallende Ohrfeige. Die schnelle Bewegung und das nachfolgende Klatschen, das ihre Wange feuerrot anlaufen ließ, veranlassten die anderen, sich zu uns umzudrehen.
    »Du Dreckschwein!«, rief sie und schlug mir mit geballter Faust auf den Mund. Ich packte ihre Haare und zog an ihnen. Sie schlug mich in den Bauch, trat mir gegen das Bein und bekam auch meine Haare zu fassen, das Ganze war ein Wirbel aus Schlägen, Tritten und Haaren, an denen gerissen wurde, und ich armer, erbärmlicher, elender kleiner Scheißer, ich brach in Tränen aus, plötzlich wurde das alles zu viel für mich, und ein krankes Schluchzen brach sich Bahn aus meinem Mund; ich hörte, dass unter denen, die sich schnell um uns versammelt hatten, gerufen wurde, er weint, aber ich konnte nichts dagegen tun, und dann spürte ich eine große Faust, die sich im Nacken um meinen Kragen schloss, es war Kolloen, der Kjersti auf die gleiche Art hielt und wissen wollte, was das in aller Welt zu bedeuten habe, ihr prügelt euch? Ich erklärte, es sei nichts gewesen, Kjersti meinte, es sei nichts gewesen, und dann gingen wir mit je einer Lehrerhand im Rücken ins Klassenzimmer, ich als Gespött der Leute, da ich nicht nur gegen die Regel verstoßen hatte, niemals zu weinen, sondern auch gegen das Tabu, sich nie mit einem Mädchen zu prügeln, Kjersti dagegen mit Heldenstatus, denn sie war geschlagen worden, hatte zurückgeschlagen und weinte nicht.
    Wie tief konnte man eigentlich noch sinken?
    Kolloen sagte, wir müssten uns die Hand geben. Das taten wir, Kjersti sagte Entschuldigung und lächelte mich an. Ihr Lächeln war nicht spöttisch, es war irgendwie herzlich, als hätten wir jetzt etwas gemeinsam.
    Was hatte das zu bedeuten?
    In der letzten Maiwoche wurde es heiß, und die ganze Klasse fuhr nach Bukkevika, um schwimmen zu gehen, der Sand war weiß, das Meer blau, und am Himmel über uns brannte die Sonne.
    Anne Lisbet kam aus dem Wasser.
    Sie trug eine Bikinihose und ein weißes T-Shirt. Es war nass, und ihre runden Brüste waren deutlich zu sehen. Ihre feuchten schwarzen Haare glänzten in der Sonne. Sie schenkte uns ihr breitestes Lächeln. Ich sah sie an, ich konnte nicht anders, aber dann bemerkte ich etwas neben mir und drehte den Kopf, und da stand Kolloen und sah sie auch an.
    Es gab keinen Unterschied zwischen unseren Blicken, das erkannte ich sofort, er sah das Gleiche wie ich und dachte das Gleiche wie ich.
    Über Anne Lisbet .
    Sie war dreizehn.
    Der Moment währte nicht einmal eine Sekunde, und als ich ihn ansah, senkte er sofort den Blick, aber es reichte, und ich lernte etwas über etwas, von dessen Existenz ich unmittelbar davor noch nichts geahnt hatte.
    Drei Tage später nahm Vater mich aus der Schule, weil wir uns ein Haus ansehen wollten, das zwanzig Kilometer von Kristiansand entfernt an einem Fluss stand, wir würden es eventuell kaufen, nun müsse ich sagen, ob es mir gefalle, und ehrlich sein. Wegen der Art und Weise, in der Vater über das Haus sprach, dass es dort eine Scheune gebe, dass es alt sei, aus dem neunzehnten Jahrhundert, dass ein großes Grundstück dazugehöre, man könne sowohl einen Zier- als auch einen Gemüsegarten anlegen, dort wüchsen große, alte Obstbäume und man könne eventuell auch Hühner halten und natürlich seine eigenen Kartoffeln, Möhren und Kräuter anbauen, hatte ich bereits beschlossen, ihm zu sagen, dass es mir gefalle, ganz gleich, ob dies nun der Wahrheit entsprechen würde oder nicht.
    Als wir zu dem Haus kamen und der Himmel blau und das Gras grün war und der unterhalb gelegene Fluss glitzerte, lief ich von Fenster zu Fenster und schaute hinein, damit er meine Begeisterung sah, die nicht gespielt, sondern nur ein wenig übertrieben war, und damit war die Sache entschieden. Wenn wir den Zuschlag erhielten, würden wir es kaufen. Mutter bewarb sich auf eine Stelle in der Fachschule für Krankenpflege, Vater würde weiter im Gymnasium unterrichten und ich in eine neue Schule gehen. Was Yngve tun würde, war dagegen unklarer. Er weigerte sich nämlich umzuziehen. Zum ersten Mal in seinem Leben widersetzte er sich Vater. Sie stritten sich, das hatte es noch nie gegeben. Wir hatten uns nie mit Vater gestritten. Er hatte uns die Leviten gelesen, und wir hatten es über uns ergehen lassen.
    Doch nun stand Yngve vor ihm und sagte Nein.
    Vater war außer sich.
    Aber Yngve sagte Nein.
    »Ich will das letzte Jahr nicht
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