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SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)
Autoren: Michael Winterhoff
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nicht auf alle Politiker zu, natürlich gibt es löbliche Ausnahmen. Ich habe in den letzten Jahren viele Gespräche mit Politikern geführt und dabei immer wieder auch Verständnis und Handlungswillen gespürt. Allein – eine wirklich einschneidende Änderung im bildungspolitischen Willen über Fraktions- und Parteigrenzen hinweg verspüre ich bisher nirgends.
    Neben der Ideologie spielt auch die Ökonomie eine Rolle. Und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen gibt es zumindest in Kindergärten ökonomisch geprägte Sorgen beim Personal, die für Zurückhaltung in Sachen Veränderungswillen sorgen, zum anderen haben offene Kindergartenkonzepte zum Teil Vorteile hinsichtlich der Personal- und damit auch der Finanzplanung einer Einrichtung.
    Was die wirtschaftlichen Sorgen der Erzieherinnen in den Kindergärten angeht: Viele von ihnen haben befristete Verträge und hoffen in regelmäßigen Abständen auf Verlängerung derselben. Offen Kritik am Arbeitgeber zu üben, macht sich da gar nicht gut, es sei denn, es gibt in der Einrichtung eine entwickelte Diskussionskultur, was allerdings, so meine Erfahrung, eher selten der Fall ist. Nur im persönlichen Gespräch mit Erzieherinnen höre ich oft Sätze wie diesen: »Ich finde vieles von dem, was Sie in Ihren Büchern schreiben, richtig, und beobachte das auch in dem Kindergarten, in dem ich arbeite. Aber ich traue mich nicht, das offen zu sagen, weil ich Nachteile befürchte.« Viele halten also lieber den Mund, statt sich zu äußern und damit eventuell jemandem auf die Füße zu treten. Für mich ist es immer wieder erschreckend, zu sehen, was für eine Kultur der Angst sich in manchen Einrichtungen entwickelt hat.
    Hinsichtlich des Kindergartens selbst und seines Konzepts gibt es mehrere ökonomische Gründe für falsches Handeln. So arbeiten wie gesagt viele Erzieherinnen in Kindergärten nur noch in Teilzeit. Das hat zum einen finanzielle Gründe, ist aber darüber hinaus auch politisch gewollt: So entstehen Arbeitsplätze für Mütter.
    Es ist nicht meine Aufgabe als Kinderpsychiater, diesen politischen Willen und die ökonomischen Notwendigkeiten von Kindergärten zu kritisieren. Allerdings beobachte ich in meiner Praxis die Folgen: Die steigende Anzahl von nicht so häufig anwesenden Teilzeitkräften führt dazu, dass die Kinder im Kindergarten einem ständigen Personalwechsel ausgesetzt sind. Sie haben also keine konstanten Bezugspersonen, müssen vielmehr ständig neue beziehungsweise andere Gesichter verkraften. Das verunsichert sie. Hinzu kommt, dass häufig Praktikanten fehlendes Personal ersetzen und damit in die Rolle von vollwertigen Arbeitskräften schlüpfen müssen. Für die Kinder wird die Orientierung durch diese zusätzlichen Gesichter nicht einfacher.
    Aus Sicht der Einrichtungen selbst liegt ein offenes Konzept nicht nur pädagogisch im Trend, sondern hat auch handfeste ökonomische Vorteile. Je offener das Konzept, das heißt, je stärker man eine organisatorische Form wählt, in der die Kinder sich weitgehend frei bewegen sollen, desto weniger muss der Kindergarten im Bereich der Mitarbeiter Konstanz herstellen. Je weniger die Erzieherin in der Beziehung zum Kind ist, je weniger sie die Kinder also an sich als Person bindet, desto leichter ist sie austauschbar.
    Wir sehen hier eine sehr ungesunde Gemengelage aus ökonomischen und pädagogischen Gründen für gegenwärtige Konzepte in den Kindergärten. Bei genauerem Hinschauen erkennt man schnell, wie wenig dabei die fehlende Entwicklung der emotionalen und sozialen Psyche der Kinder im Mittelpunkt steht und wie wenig Wertschätzung gleichzeitig das pädagogische Personal genießt. Gut ausgebildete Erzieherinnen sind in den offenen Konzepten im Grunde verzichtbar. Aus kinderpsychologischer Sicht ist es jedoch, wie ich bereits mehrfach dargelegt habe, unerlässlich, dass im Kindergarten die Beziehungsarbeit im Vordergrund steht: dieselbe Gruppe, konstante Bezugspersonen, gleiche Abläufe, liebevolles Anleiten und Begleiten der Kinder.
    Erst das Zusammenspiel all dieser Faktoren ermöglicht die Bildung und Förderung der emotionalen und sozialen Psyche unserer Kinder. Fehlen diese Faktoren, so kommt das immer mehr einem »Sich-selbst-Überlassen« des Kindes gleich, unter dem Deckmäntelchen der »offenen Konzepte«. Fachlich gesehen gehen diese Ansätze immer mehr in Richtung »Verwahren« und nicht mehr in Richtung Fördern und Entwickeln, da das sich entwickelnde Kind kein klares Gegenüber mehr
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