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SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)

Titel: SOS Kinderseele: Was die emotionale und soziale Entwicklung unserer Kinder gefährdet - - und was wir dagegen tun können (German Edition)
Autoren: Michael Winterhoff
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Dieser besondere »Gegenstand« ist der Mensch.
    Die Pyramide der psychischen Entwicklung öffnet sich hier ein ganzes Stück weiter. Zum ersten Mal ist das Kind in der Lage, wahrzunehmen, dass dieser eine besondere Gegenstand Widerstand bieten kann. Er lässt sich beispielsweise nicht in jedem Moment beklettern, er versorgt mich, er reagiert auf Lautäußerungen und äußert auch selbst Laute.
    Hier geht es zum ersten Mal um die Frage: Wer steuert eigentlich wen? Als Erwachsene wissen wir, dass wir bisweilen Fremdbestimmung durch Umstände, Situationen und andere Menschen aushalten müssen und nicht in jedem Moment tun und lassen können, was uns das Lustprinzip gerade eingibt. Dieses Wissen wird bereits im Alter von zehn bis sechzehn Monaten angelegt, die Nervenzellen werden in dieser frühen Phase auf die Unterscheidung zwischen Mensch und Gegenstand programmiert.
    Ausweitung der Wahrnehmungszone
    Man merkt bereits: Die Psyche entwickelt sich über eine ständige Erweiterung der Wahrnehmung, und je mehr Eindrücke das Kind wahrnimmt und damit nach und nach auch einordnen kann, desto »selbstständiger« kann es sich bewegen.
    Bis zum Alter von etwa zwanzig Monaten unterscheidet das Kind noch nicht zwischen gewohnter und fremder Umgebung. Dies ist der nächste entscheidende Schritt. Besucht das Kind mit den Eltern eine fremde Wohnung mit fremden Menschen, wird es das nun erkennbar wahrnehmen. Es hält Abstand von den unbekannten Gegenständen und Menschen und sucht Schutz bei den eigenen Eltern, weil in dieser Phase normalerweise vor allem die gewohnte Umgebung Sicherheit verleiht. Zwar wird das Kind nach einer ersten Gewöhnungsphase durchaus seine Neugier befriedigen und versuchen, die fremde Umgebung zu erobern, doch bleibt es wichtig, stets sofort in den elterlichen Heimathafen flüchten zu können.
    Der nächste Schritt in der Entwicklung, die nächste entscheidende Ausweitung der Pyramide, ist das dauerhafte Verlassen des Heimathafens. Nachdem das Kind mit etwa zwei Jahren beginnt, ein Gefühl dafür zu entwickeln, dass es stärkere und größere Menschen gibt, ist es mit etwa zweieinhalb bis drei Jahren so weit, dass es ganz klar zwischen sich selbst und anderen unterscheidet. Es entdeckt somit sein »Ich«.
    Das ist deshalb solch ein großer Schritt, weil sich auf dem Gebiet der Steuerung ein tiefer Einschnitt vollzieht. Sah die Welt bisher für das Kind so aus, dass sie sich von ihm steuern ließ, so kommt nun mehr und mehr die Fähigkeit hinzu, Eltern und auch fremde Menschen als Orientierung und Sicherheitsfaktor einzuschätzen. Es ist also ein ganz entscheidender Sprung in der menschlichen Entwicklung. Das Kind weiß nun: Ich bin ein Mensch, und du bist ein anderer Mensch. Damit beginnt die Entwicklung der tieferen Beziehungsfähigkeit.
    Nicht umsonst ist der dritte Geburtstag bisher die Altersgrenze gewesen, nach der Kindergartenreife attestiert wurde. Der wesentliche Entwicklungsschritt liegt in der Fähigkeit, zu unterscheiden: Das Kind erkennt nun nicht mehr nur die eigenen Eltern, sondern auch externe Bezugspersonen. Es ist jetzt in der Lage, zwischen sich und seinem Gegenüber zu unterscheiden. Ganz wesentlich ist zudem die Tatsache, dass das Kind nun Dinge für die Erzieherinnen im Kindergarten macht, genauso wie daheim für die Eltern. Diese Bereitschaft, etwas für andere zu tun, ist Ausdruck der sich entwickelnden Beziehungsfähigkeit.
    Ab einem Alter von drei bis vier Jahren will ein Kind immer alles richtig machen. Sicherheit erfährt es dabei weniger aus Worten als aus den emotionalen Reaktionen der Bezugspersonen. Es wird »gespiegelt«. Dieses »Spiegeln« kann sich in der erkennbaren Freude der Eltern über eine gelungene Sache zeigen, die dann zusätzlich mit den Worten »Das hast du gut gemacht« begleitet wird. Ebenso aber natürlich auch Verärgerung über etwas, begleitet von der Aufforderung: »Das möchte ich so nicht haben.«
    Gleiche Abläufe, gleiche Bezugspersonen, gleiche Reaktionen: Das ist der Idealzustand, der die psychische Entwicklung eines Kindergartenkindes richtig voranbringt. Mit etwa fünf Jahren weiß es durch diese immer gleichen Reaktionen und Abläufe, was richtig und was falsch ist. Es erlangt Sicherheit auf der Ebene der Beziehung und der Emotionen, macht also Riesensprünge im Bereich seiner emotionalen und sozialen Kompetenz.
    Die Unterscheidung zwischen »richtig« und »falsch« findet allerdings noch nicht im Sinne einer Gewissensinstanz statt, die dafür
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