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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen
Autoren: Michaela Seul
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verwandelte sich in ungläubiges Staunen. Damit wies er mir die Richtung. Ich würde ihm das Gefühl geben, gut auszusehen, auch wenn ein Schwall Verzweiflung mich überschwappte, als er das Fenster öffnete.
    »Wo kommst du denn her?«
    »Ich hab geklingelt.«
    »Hab nichts gehört.«
    »Und, hast du noch einen schönen Abend gehabt mit deinen Kumpels?«
    »… Aber wie … hast du mich gefunden?«, stammelte er. »Und … also … warum?«
    Ich lachte ihm frech ins Gesicht. »Wir Meedels sind nicht so doof, wie ihr Jungs glaubt!«
    Sein Lachen wirkte bedrückt. Es stank nach den Ausdünstungen der vier Bierflaschen auf dem Boden, und eine Wodkaflasche entdeckte ich zudem.
    »Nein, sag mal in echt, wie du auf mich kommst.«
    »Na ja, ich fand dich halt ganz nett beim Billard und so. Kann ich reinkommen?«
    Er zögerte.
    »Aber woher hast du meine Adresse? Und meinen Nachnamen?«
    Ich wedelte durch die Luft, als wäre das ein Kinderspiel, und enterte ohne viel Aufhebens die Fensterbank. Eine Drehung, und ich stand im Zimmer. Zu schnell, wie ich an seinem Blick bemerkte. Offensichtlich fühlte er sich bedroht. Schlechte Voraussetzungen. Ich fläzte mich auf einen grünen Biergartenstuhl, wahrscheinlich geklaut, schob einen Teller voller Krümel und blutiger Marmeladenflecken, Brombeere, wie ich vermutete, auf dem Tisch vor mir beiseite. »Hast du mal ’ne Cola oder so was?«
    Benny rührte sich nicht von der Stelle. Er erinnerte mich an Flipper in einer Konfliktsituation. Zuerst den Ball bringen oder den Stock?
    »Ich hab total Durst«, half ich ihm bei der Entscheidungsfindung. »Wasser wär auch okay.«
    Er verschwand im Flur und bog ab nach links. Küche?
    »Jetzt sag schon, woher du meine Adresse hast«, rief er.
    Ich hörte den Wasserhahn. Das war mir recht. Cola kann ich nicht ausstehen. Auf dem Tisch lag ein Papier. Den Namen »Franz Brandl« zu lesen und zu flüstern geschah in einem Atemzug. Irgendwo in meinem Unterbewusstsein schrillte ein Alarm, doch ich konnte mich nicht entscheiden zwischen Ball und Stock und las das Schreiben zu Ende. Obwohl das Wasser lief und lief und lief. Das ich nicht serviert bekam. Stattdessen zielte Benny mit einer Pistole oder einem Revolver auf mich. Sepp Friesenegger hätte sofort gesehen, ob die Waffe echt war.
    »Hey!«, rief ich und versuchte ein amüsiertes Grinsen. Es rutschte ab. Ich ärgerte mich über mich selbst. Mal eben schnell wo reinspazieren und mit einem Verdächtigen plaudern. Das war nicht nur unprofessionell, das war dumm, um nicht zu sagen saudumm.
    »Ich weiß, wer du bist«, zischte Benny. »Du bist die Jensentochter. Du hast mir aufgelauert. Im Billardsalon. Du hast den Franz angerufen und dich mit ihm getroffen. Bei Puster. Das hat er mir selbst gesagt. Aber ich bin nicht so blöd zu glauben, du wolltest nur das Büro von deinem Vater sehen, ich nicht.«
    Ich wies auf das Schreiben. »Wieso hat der Franz Brandl einen Vaterschaftstest durchgeführt wegen dir? Und wieso liegt das Ergebnis hier und heute auf dem Tisch, wenn seit dem Test bereits fünfzehn Jahre vergangen sind?«
    »Geht dich einen Scheißdreck an«, bellte er. »Gib mir deinen Bauchgurt. Langsam. Schieb ihn über den Tisch zu mir.«
    Ich beschloss, mich darauf einzulassen, auch wenn meine Chancen auf einen wohl platzierten Fußkick gut standen. Und danach die Fäuste. Eine Rechts-Links-Kombi in das Gesicht, das heute gar nicht mehr teigig wirkte. Irgendetwas hatte die Weichheit herausgestochen. Eine scharfe Falte im rechten Mundwinkel zuckte, was mich beunruhigte. Unter einer solchen Falte befanden sich oft die Relais für Jähzornausbrüche.
    »Benny, ich bin keine Jensentochter. Ich heiße nicht Jensen, sondern Fischer und …«
    »Den Bauchgurt!«
    Vorsichtig schnallte ich ihn ab und schob ihn in seine Richtung. Benny öffnete den Reißverschluss, ohne mich aus den Augen zu lassen.
    »Ich hab meinen Ausweis dabei. Im Portemonnaie. Da siehst du, dass ich nicht gelogen habe.«
    Er zog ihn hervor, las und schleuderte ihn wie eine Spielkarte in meine Richtung. »Der kann eine Fälschung sein.«
    »Das stimmt«, sagte ich. »Ist er aber nicht.«
    Benny überlegte. Zog die Stirn in Falten. Kein Relais blieb hängen. Er legte die Waffe auf sein Bett. »Sorry«, sagte er. »War eine Verwechslung.«
    »Dann pack ich’s jetzt«, ließ ich ihn wissen.
    »Willst ein Bier?«
    »Vielleicht ein andermal.« Ich beugte mich vor und hob den Ausweis auf.
    »Gehst du jetzt zur Polizei?«
    »Wieso?«,
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